Via Claudia Augusta in zwei Teilen – Teil 1

Vorgeschichte

Nun habe ich dieses Jahr ja schonmal eine Radtour absolviert, den Drauradweg. Sollte es also nochmal eine Radtour sein? Oder was ganz anderes? Und nochmal in die Alpen?

Die Via Claudia Augusta ist eine Alpenüberquerung von Donauwörth nach Venedig. Eine andere Variante führt nach Verona bis zum Gardasee. Die Strecke geht durch das Voralpenland, an Füssen vorbei, über den Fernpass, durch das Inntal weiter über den Reschenpass vorbei am Reschensee in das Vinschgau bis ins Eisacktal nach Bozen.

Das erste mal gelesen von der habe ich zufällig in Imst auf einem Schild in der Nähe des Bahnhofs. Außerdem war ich dort ein paar Tage wandern und habe in einer Jugendherberge übernachtet wo ich ein paar Radler getroffen habe, die eben diese Tour absolviert haben. Damals hatte ich noch kein E-Bike und eine Alpenüberquerung war jenseits jeglicher Vorstellungskraft für mich. Ich habe die Jungs schlicht bewundert und beneidet, die das schaffen.

Jedenfalls hat mir ein Arbeitskollege dann die Tour vorgeschlagen, der selbst mal den Weg vor einigen Jahren gefahren ist. Als ich mich dann im Internet genauer über die Strecke informiert habe, bin ich zu dem Entschluss gekommen, dass ich es wage. Ging alles ziemlich spontan. Als Einstimmung habe ich mir noch das Buch Alpenradler als E-Buch. Ganz nett zu lesen, auch wenn der Autor was gegen E-Bikes hat. ;-)

Hier erstmal die Tour:

Vorwort

Ich bin Ende Juli gefahren, also in der Hauptsaison, daher habe ich als vorbereitende Maßnahme alle Zimmer im Voraus reserviert. Eigentlich findet man alle Informationen über die Tour im Internet auf der offiziellen Webseite. GPS-Tracks findet man auf den üblichen Seiten, beispielsweise Komoot und outdooractive. Außerdem habe ich mir noch den Bikeline-Führer gekauft, sollte die Elektronik mal aussteigen.

Noch ein Wort zu den Bus-Shuttles, die viel beworben werden: Meiner Meinung nach ist das überflüssiger Quatsch. Für den Rücktransport kann man ganz normal mit der Bahn fahren. Selbst der Flexpreis der Bahn ist günstiger als der Shuttlebus. Zwischen Verona und München fahren täglich fünf Zugpaare, zwei davon fahren bis Venedig. In den alten ÖBB-Zügen sind mindestens 20 Radstellplätze, wenn man Glück hat nehmen die Schaffner auch spontan noch Räder ohne Reservierung mit, da die Gepäckwagen ziemlich groß sind. Zwischen Venedig und Verona kann man auch den italienischen Regionalzug nehmen. Und dann gibt's ja auch noch Flixbus mit guten Verbindungen ab München.

Wenn man sich die Pässe sparen möchte sieht es natürlich anders aus, allerdings nehmen hier die öffentlichen Busse auch Fahrräder mit. In Landeck habe ich Busse mit Fahrradanhänger gesehen, beim Reschenpass sind mir Busse mit Möglichkeit zum Aufhängen am Heck begegnet. Im Zweifel würde ich lieber die subventionierten, öffentlichen Busse unterstützen die häufig halb leer durch die Gegend gondeln, aber für die Bevölkerung auch eine Grundversorgung darstellen, und deshalb notwendig sind, als teurere, auf Touristen abzielende Zusatzbusse die vielleicht etwas schneller sind.

Um mal etwas abzuschweifen: Mir scheint es, als würde für weite Teile der Bevölkerung der öffentliche Nahverkehr (und Fernverkehr der Bahn) gar nicht zu existieren. Für die gibt es nur das Auto, das Flugzeug und dann solche privaten Busangebote, die entsprechend beworben werden. Ich weiß nicht mehr genau, wo ich es gelesen habe, aber mir ist noch dieses Zitat in Erinnerung: Mit der Bahn fahren nur Arme und Akademiker. Diesen Eindruck habe ich auch, würde mich selbst damit eher zu den Akademikern zählen obwohl ich mit meinem Diplomabschluss einer Fachhhochschule nicht wirklich einer bin.

Geplant hatte ich Augsburg bis Bozen in einer Woche in gemütlichen Tagesetappen zu fahren.

Augsburg bis Schongau

Die Anreise von Fürth bis Augsburg war nun wirklich unspektakulär. Gegen Mittag war ich in Augsburg, das Wetter war in Ordnung (etwas windig aber ansonsten trocken) und es sollte losgehen. Ehrlich gesagt bekam ich nach 20 Kilometern fast schon einen kleinen Durchhänger, die Strecke gefiel mir nicht besonders gut, mir war etwas langweilig und ich hatte einfach irgendwie keine Lust. Aber das sollte der einzige dieser Art werden, soviel sei schonmal verraten.


Gedenkstein zur Via Claudia Augusta

Ich entschied mich für einen Schlenker nach Landsberg am Lech, wo allerdings gerade ein Mittelalterfest mit Umzug stattfand, wodurch die Altstadt quasi unpassierbar war. Nach alldem was ich gesehen habe, aber eine sehr schöne Stadt, wo ich sicher nochmal vorbeischaue.


Landsberg am Lech

Nachdem ich an diesem Tag meinen längsten Abschnitt hatte – es wurden exakt 100,0 km – und ich ja erst mittags in Augsburg gestartet bin, wurde es dann tatsächlich »knapp«, ich musste beim Hotel anrufen, dass ich nach 18 Uhr komme und ich hatte auch keine Zeit mehr, Schongau zu besichtigen. Stattdessen fuhr ich durch Schongau durch und schnurstracks zu meiner Unterkunft in Peitling auf der anderen Seite des Lechs, wo ich kurz vor 19 Uhr ankam. Der Hotelgasthof war etwas rudimentär, aber für eine Nacht völlig in Ordnung und dafür günstig. Das Highlight war ein Röhrenfernseher der Marke Siemens auf meinem Zimmer, der vermutlich fast so alt war wie ich selbst, aber tatsächlich funktionierte! Das Essen in der zugehörigen Gaststätte war super.


Der Lech

Mehr Sorgen machte mir die Wettervorhersage: Am nächsten Tag sollte es regnen, darauf hatte ich nun wiederum gar keine Lust. Also die Etappe überspringen und (etwas umständlich, da komplett andere Route) nach Ehrwald mit dem Zug? Erstmal abwarten und schlafen.


Kein Fake, kein Umweg, es waren wirklich genau 100,0 km bis zum Hotel in die Garage

Schongau bis Ehrwald

Die heutige Etappe beinhaltet zwar keinen Pass, führt aber schon ins Gebirge. Tatsächlich bin ich einen kleinen Teil des Weges letztes Jahr zufällig schon einmal gefahren als ich von Lindau, Sonthofen, das Tannheimer Tal, Reute nach Ehrwald geradelt bin, meine erste mehrtägige Radtour überhaupt. Daher wusste ich ungefähr, was auf mich zukommt. In Ehrwald hatte ich dann auch im gleichen Hostel wieder ein Zimmer gebucht, dem Mellow Mountain Hostel, das ich an dieser Stelle sehr empfehlen kann! Es gibt neben Mehrbettzimmer auch Privatzimmer mit Bad, alles ist noch recht neu, außerdem einen sehr schönen Aufenthaltsbereich – wie ein Wohnzimmer eingerichtet – mit Bergpanoramablick.

Nach dem Aufwachen hat es erstmal recht stark geregnet. Das Wetterradar hat mir aber verraten, dass es gegen 9 Uhr aufhören wird und so ging ich das Frühstücken eher gemächlich an. Es kam dann auch so, es nieselte noch etwas, aber das hindert einen nicht wirklich am Radfahren. Zunächst musste ich wieder zurück auf die Route finden. Bei Wolken entstehen ja ganz nette Stimmungen:




Forgensee

Gegen 11 Uhr kam dann ein kurzer aber heftiger Schauer, den ich dann aber unter einem privaten Carport »aussitzen« konnte. Zu einer besseren Unterstellmöglichkeit hat die Zeit nicht mehr ausgereicht. Um die Mittagszeit war ich dann in Füssen, das Schloss Neuschwanstein habe ich aber nur kurz gesehen. Es gibt eine Variante der Route mit etwas besserem Blick auf das Schloss, die ich mir aber gespart hatte. Die Innenstadt von Füssen ist schon sehr schön, allerdings auch touristisch etwas überlaufen und mir war nicht nach Stadtbesichtigung.

Der Weg ging dann weiter zum Lechfall und dann überschritt ich auch die Grenze nach Österreich. Die Sonne kam raus und es wurde etwas dampfig, was sich dann aber im Laufe des Nachmittags legte. Zwischen Füssen und Reutte ist der Weg angenehm, man fährt durch eine relativ flache Landschaft mit Bergkulisse:


Reutte in Tirol kannte ich bereits von meiner oben erwähnten Tour, daher verzichtete ich auf eine Besichtigung und fuhr weiter. Zwischen Reutte und Ehrwald wird es dann hügeliger und die Wegqualität wird auch relativ schlecht, grober Schotter, an manchen Stellen musste ich kurz schieben. Man kommt an der Burg Ehrenberg vorbei, wo es auch eine Hängebrücke gibt. Diese hatte ich ebenfalls auf meiner letzten Tour schon besichtigt. Wer noch nie dort war dem kann ich empfehlen etwas mehr Zeit einzuplanen und ein, zwei Stunden dort zu verbringen. Ich leide zwar unter Höhenangst, eine solche Hängebrücke macht mir seltsamerweise wenig aus. Ich darf zwar während des Gehens nicht nach unten schauen, aber verglichen damit dass ich beim Besteigen einer Leiter mit mehr als vier Stufen schon die Panik bekomme ist das eigentlich nichts.

Bei schönem Wetter traf ich nachmittags in Ehrwald ein, für die Tiroler Zugspitzbahn hat es aber nicht mehr gereicht.



Tja, am nächsten Tag steht der erste Pass an, der Fernpass, vor dem ich schon etwas Bammel habe.

Über den Fernpass...

Erstmal beginnt der Tag wettermäßig super mit leichten Nebelschwaden.


Tja, warum habe ich jetzt Bammel vor der Fahrt mit dem Fernpass? Im Prinzip weil ich mich vorher informiert habe und der Fernpass als blöd zu fahren beschrieben wird mit vielen Schiebestrecken. Allerdings muss man sagen dass die meisten Berichte älter sind und ich auch gelesen habe, dass 2015 die Strecke etwas verändert wurde und nun die Wegequalität besser ist. Letztlich war es eigentlich ziemlich unspektakulär. Klar, mit einem E-Bike habe ich leicht reden was die Steigung betrifft – allerdings bin ich auch im Eco-Modus gefahren. Die Wegequalität ist aber auch nicht schlechter als so mancher Schotterweg in Bayern. Nicht rennradtauglich, aber mit einem Trekkingrad gut zu fahren. Und auch die Steigung, wenn man ein paar Pausen einlegt und vielleicht ein paar Stellen schiebt geht es eigentlich auch ohne Elektrorückenwind.



Ausblick nach unten


Burg Fernstein

Und weil alles so unspektakulär gut ging war ich auch am frühen Nachmittag schon in Imst, meinem heutigen Etappenziel angelangt. Im Vorspann hatte ich ja erwähnt dass ich in Imst schonmal war, insofern kannte ich die Gegend, auch die Rosengartenschlucht. Erstmal fuhr ich durch zum Hostel Romedihof und hoffte, dort mein Gepäck loszuwerden. Ich traf dort die Dame an, die sich um alles kümmert und sie gab mir gleich das Zimmer.


Der Romedihof

Ich erwähnte ja schon dass ich bereits vor einigen Jahren im Romedihof übernachtet habe. Die Etappen habe ich extra so geplant dass ich dort wieder absteigen kann. Das Hostel bzw. die Jugendherberge liegt etwas außerhalb von Imst unten am Inn, bei der Bahnstrecke und dem Autobahnkreuz. Es handelt sich um einen umgebauten alten Bauernhof mit dicken Mauern, mit knarzenden Böden, recht gemütlich und rustikal eingerichtet. Tatsächlich hatte ich dieses Nacht ein Bett im Mehrbettzimmer gebucht. Nicht nur aus finanziellen Gründen sondern auch weil man dort in der Regel ganz nette Menschen trifft. Ich war daher neugierig, mit wem ich mein Zimmer teilen werde.

Erstmal verbrachte ich aber den restlichen Tag im Freibad von Imst, etwas chillen, lesen, Podcasts hören und im Wasser abkühlen, es ist schließlich Urlaub. Natürlich habe ich noch was gegessen, für den nächsten Tag eingekauft als ich am Abend dann wieder in der Jugendherberge eintraf und meine Zimmergenossen traf: Zwei Jungs aus München, Ende 20 mit dem Fahrrad unterwegs eine Mountainbikestrecke von Garmisch zum Gardasee. »Etwas« sportlicher als ich. Nette Leute, ich habe auch ganz gut geschlafen, vielleicht etwas schlechter als alleine im Zimmer. Wir hatten ohnehin Glück, da unser Zimmer das Fenster auf die ruhigere Seite ohne Straßenlärm hatte. Würde ich nochmal dort übernachten, würde ich wohl direkt bei der Buchung versuchen auf die Seite zu kommen.

Im Inntal

Der Tag beginnt wieder sonnig. Es sollte wettermäßig der schönste Tag werden, warm aber nicht schwül bei strahlend blauem Himmel.


Der Inn bei Imst

Die heutige Etappe wird etwas länger als die letzte, bleibt dafür relativ flach. Es geht von Imst im Inntal entlang bis Pfunds. Die Wegeplanung war extra so dass die beiden Pässe jeweils am Anfang des Tages liegen. Ich fuhr als bis Pfunds weil dort dann am nächsten Tag der Reschenpass kommt. Spontan entschied ich mich, einen kleinen Umweg auf eine Anhöhe zu nehmen.


einfach nur schön

Weiter ging’s nach Landeck, ein nettes Städtchen, wo übrigens die Arlbergbahn das Inntal verlässt und weiter nach Bludenz führt. Es beginnt ein Abschnitt wo man nicht mal eben in die Bahn steigen kann um abzukürzen oder nach Hause zu fahren. Der nächste Bahnhof kommt dann in Mals in Südtirol. Es war vor dem ersten Weltkrieg geplant, eine Bahnstrecke von Landeck nach Mals zu bauen, die sog. Reschenscheideckbahn. Es wurden sogar ein paar Bauwerke errichtet, die Bahn wurde wegen der Konkurrenz zur Brennerbahn, der beiden Weltkriege, der schwierigen Trassenführung und auch wegen der Verlagerung des Verkehrs auf die Straße nie errichtet.

Aber zurück zum gummibereiften Zweirad: In Landeck besichtigte ich die Burg mit Museum, sehr sehenswert und vor allem auch schön gelegen.


Burg Landeck


Burgmuseum Landeck


Landeck von oben

Weiter geht’s dann im mittlerweile relativ schmal gewordenen Inntal. Laut Streckenführer gibt es noch eine etwas hügeligere Route am Berg, die ursprüngliche Via Claudia, ich bleibe aber bei der Talroute. Der Inn ist auch deutlich schmaler geworden. Charakteristisch bleibt aber das etwas milchig gefärbte Wasser, ganz im Gegensatz zum türkisen Lech.


Der Inn

Durch die Besichtigungen treffe ich heute erst gegen 17 Uhr am Abend in Pfunds im Alpenhostel ein. Dort begrüßt mich eine etwas mürrische ältere Dame, die mich erst einmal darüber belehrt dass ich ein Zimmer in einer Jugendherberge gebucht habe, was bedeutet dass alles etwas älter ist. Nun, für mich heißt Jugendherberge vor allem weniger Komfort und ggf. Mehrbettzimmer, kein Fernseher oder auch Gemeinschaftsbad aber nicht dass die Möbel auseinanderfallen. So schlimm war es dann aber ohnehin nicht, aber die besten Jahre hat das Haus inkl. Mobiliar durchaus schon gesehen. Vermutlich wollte die Dame einer schlechten Bewertung vorbeugen. Obwohl das Hostel an der Hauptstraße im Inntal liegt ist es dennoch soweit zurückgesetzt dass es annehmbar ruhig ist, mein Fenster geht ohnehin auf die Rückseite wo eher das Rauschen des Wasserfalls stört als der Straßenlärm.


Pfunds


Tiroler Gröstel, super lecker!

Hier im Inntal lässt sich's durchaus aushalten, aber es geht ja wieder weiter. Im Hostel auf der Terrasse traf ich dann am Abend noch auf drei nette Rentner aus der Region Nürnberg, mit denen ich mich bei einem Gösser Radler (60 % Limo, 40 % Bier, mir schmeckt diese Mischung ganz gut) über Gott und die Welt unterhielt. Die drei sind von der Innquelle nach Innsbruck gefahren. Das hat mich dann mal dazu gebracht nachzusehen wo der Inn überhaupt entspringt, das ist viel weiter in der Schweiz drin als ich gedacht habe. Kein Wunder dass der in Innsbruck oder Imst schon ein richtig großer Fluss ist.

Über den Reschenpass zum Reschensee

Der heutige Tag ist streckentechnisch der spannendste Teil: Während die Autostraße in Österreich schnurstracks den Berg hoch geht, wo dann der eigentliche Reschenpass passiert werden muss, ist der beschilderte Radweg ein anderer: Es geht zunächst in die Schweiz auf einer gut ausgebauten aber sehr schwach befahrenen Bundesstraße in die Schweiz mach Martina. Diese wird aber nach ein paar Kilometer wieder verlassen wo es über die Norbertshöhe mit 11 Kehren den Berg hoch geht. Die Norbertshöhe ist wieder in Österreich, von dort geht's nach Nauders weiter über den eigentlichen Reschenpass (der dort aber flach ist) nach Italien bzw. Südtirol weiter zum Reschensee.

Das Inntal ist an dieser Stelle recht schmal, daher am Morgen auch noch schattig und ziemlich kühl. Obwohl man die meiste Zeit auf der Bundesstraße fuhr war sehr wenig Verkehr und das Fahren daher sehr angenehm. Die Auffahrt zur Norbertshöhe ist deutlich fordernder als der Fernpass, auf der Seite quäldich.de findet man eine ganz gute schematische Darstellung.


Helvetia

Grenzkontrollen finden im Übrigen statt oder eigentlich sind es Zollkontrollen: Die Schweiz ist im Schengener Abkommen aber nicht in einer Zollunion mit den Schengenstaaten. Praktisch ist es das gleiche, als Fahrradfahrer wurde ich aber durchgewunken.


Burg bei Nauders

In Nauders hat man's dann eigentlich geschafft, von dort geht's nur noch marginal aufwärts bzw. vor allem dann abwärts. Tja, und nach wenigen Kilometern ist er dann am Horizont, quasi mein Tagesziel und auf das, was ich mich schon die ganze Reise gefreut habe: Der Reschensee, jener mit dem Kirchturm mitten im See. Als ich hinten am Horizont den See erblickte bin ich in Euphorie ausgebrochen. So glücklich war ich die ganze Reise nicht gewesen, einfach phantastisch quasi am Ziel, am Höhepunkt (im wahrsten Sinne des Wortes auch geographisch) zu sein.


Der Reschensee am Horizont

Ich habe unzählige Fotos geschossen, auch von weiter oben, konnte mich erst gar nicht entscheiden auf welcher Seite ich den See entlang fahren möchte, aber als ich dann gesehen habe, wo der Turm ist, war es klar, von oben kommend von links quasi.


Kirchturm von Alt-Graun

Die Geschichte des Kirchturms ist eigentlich weniger romantisch als es aussieht: Um einen Stausee zu errichten wurde die Gegend des heutigen Reschensees von den faschistischen italienischen »Besatzern« ohne Beteiligung der Bevölkerung einfach geflutet, die Ortschaft Graun vernichtet, die Bürger ohne Entschädigung zwangsumgesiedelt. Daran erinnert eine kleine Ausstellung am See. Der Turm steht heute unter Denkmalschutz und wurde saniert, da das Mauerwerk natürlich nicht für das Wasser ausgelegt war.


Blick zurück

Auch im Sommer ist der See ziemlich kalt. Es gibt zwar ein paar Badestellen aber wirklich angenehm ist es nicht. Langsam wird es auch deutlich schwüler, einerseits ändert sich die Wetterlage, andererseits denke ich dass es auf der Südseite der Alpen um diese Zeit auch einfach schwüler ist als in den nördlichen Tälern. Außerdem beschäftigt mich seit zwei Tagen noch ein angeschwollener Mückenstich am Oberschenkel. Ich hatte zwar eine Creme dabei, die half aber nicht wirklich, und es ist wirklich sehr stark angeschwollen dass die Haut selbst beim Laufen gespannt hat.

Erstmal fahre ich bis Burgeis, um dort meine Unterkunft zu beziehen. Leider war es im Vinschgau schwer, günstige Unterkünfte zu finden, so dass ich mir die Ortschaften nicht wirklich aussuchen konnte. Burgeis ist eine kleine Ortschaft mit vielen Ferienhäusern, nur einem Supermarkt, einigen Gasthäusern und keiner Apotheke. Mit der Pension Florian hatte ich Glück, ich bekam ein sehr kleines aber hübsches Einzelzimmer unter dem Dach. Die Besitzerin war auch sehr nett.

Nachdem ich meine Sachen los war fuhr ich dann aber weiter nach Mals, dem ersten Ort mit Apotheke, Endpunkt der Vinschgaubahn, die 1990 stillgelegt wurde und 2005 dann wiedereröffnet wurde – seitdem eine Erfolgsgeschichte. In der Apotheke wurde ich gut beraten und bekam eine Kortisoncreme (Packungsbeilage auf Italienisch), die dann auch langsam half. Der Radweg von Burgeis nach Mals geht sehr steil bergab, so dass ich schon Angst hatte ob ich den Berg wieder hochkomme. Die Angst war unbegründet, der Rückweg ist etwas anders beschildert und deutlich flacher was die Steigung betrifft.

Offiziell war ich in Italien, tatsächlich im tiefsten Südtirol mit einem Dialekt den ich nicht verstehe, der aber mit Italienisch nichts zu tun hat. Das Vinschgau ist eine der schönsten Gegenden in den Alpen die ich je gesehen habe, man kann das eigentlich gar nicht so schön fotografieren wie es ist. Das Tal ist einige Kilometer breit, sehr insgesamt recht steil, sehr trocken, daher wird hier auch alles bewässert. Heute natürlich über Wasserleitungen, früher allerdings über ein Kanalsystem das sich Waal nennt. Die Waale existieren teilweise noch heute.


Nachts gab es dann auch das erste Gewitter, ich schlief trotzdem tief und fest.

Weiter im Vinschgau nach Tabaland

Der Morgen startet sonnig mit einem guten Frühstück und vor allem einem sehr guten Filterkaffee, dem besten auf dieser Reise. Die Mischung aus Italien mit österreichischen Wurzeln scheint guten Kaffee zu produzieren. Aber schon am Morgen ist es recht schwül, regelrecht dampfig, was man selbst auf den Bildern sieht.


Die Fürstenburg bei Burgeis


Typisch für das Vinschgau

Die Radwege sind einfach nur mega, eigentlich sind es eher Wirtschaftswege allerdings asphaltiert, sehr gut zu fahren, abseits vom Straßenverkehr aber doch durch die Ortschaften. So macht Radfahren Spaß! Wenn unsere Politiker mal wieder von Radschnellwegen reden sollte man ihnen mal einen Urlaub in Südtirol spendieren.


Radautobahn


Bunker aus dem Ersten Weltkrieg – auch das gehört leider zur Geschichte Südtirols

Den Vormittag fahre ich langsam voran, nutze die Zeit für Besichtigung der Ortschaften auf dem Weg. Erst schaue ich mir Mals an:


Mals

Weiter im Etschtal (deshalb heißt der Radweg an dieser Stelle auch Etschtalradweg) komme ich an Glurns vorbei, mit vollständig erhaltener Stadtmauer. Eine Perle!



Stadtmauer von Glurns

In Schluderns gibt es eine Burg auf einer Anhöhe:


In Kastelbell eine weitere Burg:


Für diesen Tag werden am Nachmittag Gewitter vorhergesagt. Zunächst ist es aber bewölkt und wirklich extrem schwül. Als ich von einem Supermarkt rausgehe komme ich mir vor als wie wenn ich gegen eine Wand laufe. Die Pernsion befindet sich nicht unten in der Ortschaft Naturns sondern im Tal weiter oben in Tabaland. Zunächst verfahre ich mich weil mich mein Navi falsch lotst, dann finde ich es aber doch. Leider gibt es oben in Tabaland keine Einkaufsmöglichkeiten so dass ich nach dem Checkin wieder runter muss. Trotzdem gefällt mir die Pension auf Anhieb, die Besitzerin ist total nett, das Bad zwar etwas älter aber das Bett super. Und es gibt einen Balkon Blick ins Tal und auf die andere Seite des Berges!


Die Etsch

Das Gewitter am Abend wird heftig. Allerdings empfinde ich es auch als Befreiung, da die Luft wirklich unerträglich war. Gegen Mitternach hört's aber auf und ich schlafe gut.

Nach Bozen

Die Zeit verging bisher wie im Flug. Schon ist der letzte Tag da, am nächsten Tag fahre ich nach Übernachtung in Bozen bereits nach Hause. Nach dem Gewitter liegt im Tal etwas Nebel. Der Etsch sieht man das Gewitter an, das Wasser ist braun.



Der Radweg verläuft heute schnurstraks im Tal, an Meran vorbei bis Bozen. Obwohl am Nachmittag Gewitter vorhergesagt sind, glaube ich nicht so recht daran und beschließe spontan, als ich an einer Seilbahn vorbeikomme, diese zu nutzen und eine kleine Bergwanderung zu machen. Nur ein, zwei Stündchen und dann wieder runter. Schließlich will ich die Berge nicht nur von unten sehen sondern auch erleben. Gesagt, getan. Mein Fahrrad wird samt Gepäck abgestellt, die zweite Tasche zum Rucksack umgebaut und los geht's.

Dort oben ist es etwas kühler als unten, ich empfinde es als angenehm. Der Gipfel heißt Vigljoch und man sieht von dort oben nicht nur ins Etschtal sondern auch auf die andere Seite.


Mittagessen gibt's dieses mal im Gasthof Seespitz. An der Seilbahn bin ich gegen 14 Uhr, es wird leider langsam bewölkter und ich mache mir langsam etwas Sorgen was den Weg betrifft. Immerhin habe ich noch gut 50 km vor mir. Notfalls kann ich die Bahn nehmen, allerdings würde ich mich schon ärgern wenn ich den letzten Abschnitt nicht fahren könnte.



Wegen des aufziehenden Regens beeile ich mich. Ich kann mir leider nicht die Zeit nehmen, etwas länger in Meran zu bleiben. Die Stadt wäre definitiv einen Tag Wert gewesen.

Was die Qualität des Radwegs betrifft ist alles mustergültig. Ich habe den Regen quasi im Nacken, immer tröfelt es etwas, ich blicke aber gegen einen hellen Himmel da ich ja quasi mit dem Gewitter fahre. Vorteil von dem ganzen: Ich habe Rückenwind, dazu kommt das E-Bike, insofern fährt es sich wirklich gut.

Heute habe ich meine Unterkunft über AirBnb gebucht. Ich bin schon die ganze Zeit mit dem Gastgeber bzw. seiner Mutter in Kontakt, der Schlüssel wurde an einer Stelle hinterlegt. Der Gastgeber ist allerdings Italiener und kann kein Deutsch. Das Zimmer liegt in einem Wohngebäude im 5. Stock mit defektem Aufzug. Zum Glück muss ich nur zweimal hoch. Wirklich stark geregnet hat es dann doch nicht. Ich fahre mit dem Bus in die Innenstadt um noch was zu essen. Dieser Teil von Bozen gefällt mir überhaupt nicht, irgendwie zu hektisch, viel Verkehr, etwas schmuddelig. Nach einer Woche Österreich und Vinschgau bin ich viel zu verwöhnt. Immerhin ist der Ausblick vom Balkon gut.


Und zurück

Mit dem Gastgeber komme ich nicht viel in Kontakt da er quasi nicht in der gleichen Wohnung sondern in der Wohnung nebenan wohnt, allerdings ist der Eingang der gleiche. Man hat quasi aus einer Wohnung zwei gemacht mit gemeinsamem Flur. Jedenfalls hat er ein Frühstück schon am Vortag hergerichtet, oder was man halt in Italien Frühstück nennt. ;-)

Der Zug geht erst gegen 9:30 Uhr in Bozen, daher kann ich noch einen kleinen Umweg fahren, nochmal auf die Südseite von Bozen ein paar Fotos schießen


Burg Sigmungskron

Am Bahnhof dann ziemlich viel los, die Zugfahrt verläuft ohne besondere Vorkommnisse. Außer dass ich am Brenner wieder mal zu doof war diese Getränkeautomaten zu bedienen und daher im Zug was kaufen muss. Achso, und dass ich die österreichischen Grenzbeamten ziemlich unmöglich fand: Ich saß bei einer Dreiergruppe, Oma, Mutter und Sohn und die Polizei haben sich total aufgespielt weil der Sohn keinen Kinderausweis dabei hatte. Alle drei sind übrigens nach Berlin weitergefahren, soviel zum Thema dass die Leute keine Zugfahrten unternehmen die länger als 4 Stunden dauern wie es unser ehemalige Bahnchef (der aus der Luftfahrtindustrie) so von sich gegeben hat.

Retro

Tja, das war es nun, meine erste Alpenüberquerung. Während des Urlaubs habe ich im Prinzip den Entschluss gefasst, noch in diesem Jahr weiter nach Venedig zu fahren. Noch nie habe ich in so kurzer Zeit so viele verschiedenen Landschaften erlebt. Und die Alpen sind eh toll. Jedes Tal ist anders. Die Architektur ist anders, die Landschaft unterscheidet sich und nicht zu letzte die Menschen und ihre Dialekte. Die Nationalitäten sind wiederum ziemlich egal, die Natur kennt keine Grenzen. Das Wetter hätte besser sein können, aber es war okay; es hätte auch viel schlechter sein können. Mit Hitze und Gewittern muss man im Juli halt rechnen. Ich kann nur jedem empfehlen, ob mit oder ohne E-Bike, macht es! Es wird sich lohnen, so einen Trip vergisst man nicht! Camping hätte mich allerdings auf dieser Tour weniger gereizt, dafür fand ich den Drauradweg speziell in Kärnten geeigneter obwohl es sicher auch genug Campingplätze gegeben hätte.

Mit den Unterkünften war ich sehr zufrieden, im Durchschnitt habe ich unter 50 € pro Nacht bezahlt und das in der Hauptsaison, eine Woche vorher gebucht, da kann man nicht klagen. Die Zugfahrten waren nicht so günstig, die Hinfahrt war eine Freifahrt gegen Bonuspunkte aber bei der Rückfahrt habe ich den Flexpreis bezahlt, ich glaube es waren 80 € mit BahnCard 25.