Fernwanderung: Via Albula/Bernina in der Schweiz

Die Schweiz hat ein ausgeszeichnetes Wandernetz. Besonders gut gefällt mir das System von nationalen und regionalen Wanderwegen mit einheitlicher Beschilderung und Nummernschema. Auf Schweizmobil: Wanderland Schweiz findet man sämtliche Wanderungen mit Beschreibung und Karte, leider aber in der kostenlosen Version ohne GPX-Download (den findet man dann normalerweise anderswo).

Ein Freund aus der Schweiz – der sich ebenfalls für Züge interessiert – hat mir die 33: Via Albula/Bernina (Graubünden Tourismus, mit Link auf Outdooractive und GPX-Download) empfohlen. Eine Wanderung durch das Gebirge aber nicht direkt in den Bergen mit Übernachtungen in normalen Hotels/Gaststätten, also nicht auf Berghütten.

Das schien mir für Ende September genau das richtige zu sein. Ich hatte die Übernachtungen vorgebucht, und zwar Ende August. Es war kein großes Problem Unterkünfte zu finden, wirklich günstig ist die Schweiz natürlich nicht. Im Durchschnitt hatte ich rund 90 € pro Übernachtung im Einzelzimmer bezahlt, teilweise mit Gemeinschaftsbädern am Gang, mindestens ein Waschbecken war aber immer im Zimmer.

Ich hatte allerdings keine vollen 10 Tage Urlaub dafür eingeplant, folglich musste ich mich entscheiden entweder das Anfang oder das Ende auszulassen. Ich entschied mich für den Anfang, startete also meine Wanderung in Filisur statt in Thusis.

Dieser Wanderweg ist nicht irgendeine Wanderung. Man wandert nämlich mehr oder weniger entlang des UNESCO-Weltkulturerbe der Rhätischen Bahn mit herausragenden Viadukten und Tunnels. Ich hatte mir den Wanderführer „Via Albula/Bernina“ im Vorfeld besorgt, man findet ihn unter der ISBN 3729811703 im deutschen Buchhandel. Falls ihr online bestellt empfehle ich den Kauf über Buch 7, damit spendet ihr einen kleinen Betrag für soziale Projekte. Der Wanderführer enthält viele Informationen über die Gegend und ihre Geschichte und vor allem über den Bau und Betrieb der Bahnstrecke. Einiges findet man aber auch auf Infotafeln entlang des Weges in deutscher und englischer Sprache.

Anreise

Ich will den Abschnitt über die Anreise kurz halten. Von Nürnberg nach Filisur existierte keine ordentliche Bahnverbindung mit vernünftigem Preis, da die Gäubahn (Stuttgart - Singen) wegen Bauarbeiten gesperrt war. Folglich musste ich über München, Lindau, St. Gallen und Chur fahren, was zum einen volle Züge und einen unsicheren Anschluss in München bedeutet, bei einem 2-Stunden-Takt des EuroCity München – St. Gallen, zum anderen Schienenersatzverkehr am Rhein. Es war also klar, dass diese Fahrt nicht unbedingt schön werden wird, und das für 100 € trotz BahnCard 25.

Nun gut, der Anschluss in München hat geklappt, der in St. Gallen nicht, letztlich blieb es bei einer Verspätung von genau einer Stunde, was immerhin 25 % Geld zurück bedeutet hat. Ich hab es mit Fassung getragen, hatte mir einen ganzen Tag für die Anreise genommen, musste also in Filisur nur noch ins Hotel einchecken.

Landschaftlich reizvoll wird es ab Lindau (durch's Allgäu fährt man über die nördliche Strecke, also Memmingen, die weit weniger reizvoll ist wie die südliche über Kempten) entlang des Rheins. Sogar der Schienenersatzverkehr über die Autobahn bietet nette Ausblicke, wenngleich leider Stadtbusse eingesetzt werden. In Chur steigt man in die Rhätische Bahn um, also von Normalspur auf Schmalspur (Meterspur).

Das Highlight kommt ganz zum Schluss, das Landwasserviadukt. Die meisten Züge der Rhätischen Bahn haben entweder die Möglichkeit, die Fenster zu öffnen (die alten Waggons) oder führen einen speziellen Fotowagen mit sich, wo man die Fenster sogar elektrisch öffnen und wunderbar fotografieren kann. All das ist ganz normale 2. Klasse, ohne Aufpreis, ohne Reservierung, und lässt sich problemlos über die Deutsche Bahn bis zum Ende als Sparpreis Europa durchbuchen.


Landwasserviadukt in Filisur

Vom Bahnhof geht es noch knapp 10 Minuten zu Fuß zum Hotel bergab. Das Hotel ist mir sofort sympathisch:


Schweizer Bahnhofsuhr im Hotel an der Rezeption

Es wird langsam dunkel, wir haben bereits Ende September, und ich genieße die Ruhe nach einer langen Zugfahrt. Gegessen habe ich bereits unterwegs.

Tag 1: Filisur – Bergün

Die Wetteraussichten für die kommenden Tage sind grandios. Eigentlich nur Sonnenschein, der heutige Tag startet aber bewölkt. Bevor ich nach dem Frühstück die eigentliche Wanderung starte, stehen erstmal ein paar Fotos des Landwasserviadukts auf dem Programm, über das ich gestern gefahren bin. Da ich nicht der einzige bin, der sich dafür interessiert und es sich um ein Weltkulturerbe handelt, listet die Rhätische Bahn, abgekürzt „RhB“, auf ihrer Webseite die besten Fotospots auf. Ich entscheide mich für die Aussichtsplattform Süd, für alle habe ich dann doch keine Zeit.


Der Tag startet bewölkt

Die Frage, die sich dann natürlich stellt: „Wann kommt der nächste Zug?“ Wenn man Mobilfunk hat (die Schweiz ist ja kein Teil der EU, folglich kein kostenloses Roaming) bietet die App Swiss Trains (iOS) eine wunderbare Hilfe. Ansonsten kann man sich vorher mit der App der tschechischen Bahn České dráhy Můj vlak oder auch der Interrail-App offline die Fahrpläne herunterladen, muss dann aber die Abfahrtstafel des nächsten Bahnhofs angucken und hat das Problem, dass bei durchfahrenden Zügen natürlich kein Halt existiert und man den nächstgrößeren Bahnhof braucht. Aktuell fahren die Züge am Landwasserviadukt ungefähr zur vollen Stunde, man hat dann dankenswerterweise die Gelegenheit, kurz hintereinander mehrere Züge abzulichten.

An dieser Stelle soll ein Foto des Bernina Express reichen:


Bernina Express fährt über das Landwasserviadukt

Ich gehe einen anderen Weg zurück, nämlich oben zum Bahnhof, genieße dort noch einen Cappuccino und starte gegen 11 Uhr die eigentliche Wanderung. Die Etappe ist mit 9,6 km und 496 hm Aufstieg kurz genug, dass es trotzdem nicht in Stress ausartet.


Der Bahnhof Filisur

Überhaupt sind die Etappen so gewählt, dass man genügend Zeit hat, sich die Landschaft anzusehen, Pausen zu machen, mal einen kleinen Umweg zu laufen. Nachdem ich aber nicht der fitteste und leichteste Wanderer bin, vorher quasi 6 Wochen wegen einer Zehenverletzung aus dem Training war und außerdem mit neuen Schuhen zu kämpfen hatte, empfand ich es in der Summe trotzdem als ziemlich anstrengend, 8 Tage in Folge zu wandern, auch wenn es kurze oder mittlere Etappen mit mäßigen Höhenmetern waren.

Der Weg führt nochmal vom Bahnof runter ins Dorf, von dem ich gestern nicht allzuviel gesehen hatte.


Haus in Filisur


Der Steinbock, das allgegenwärtige Wappentier des Kantons Graubünden

Der erste Abschnitt verläuft direkt im Tal entlang der Albula auf einem einfachen Forstweg.


Die Albula

Immer wieder entdecke ich Grillplätze, wo sogar für Holz gesorgt ist, wie hier:


Grillplatz mit Holz

Nun verlässt man das Tal und begibt sich aufwärts zum Bahnhof Stugl/Stuls. Der Bahnhof befindet sich unterhalb des Ortes, wird nicht mehr bedient (der Ort wird von einer Busverbindung direkt im Ort bedient) und dient als Kreuzungspunkt der eingleisigen Strecke. Deshalb war der Bahnhof auch früher besetzt bzw. bewohnt.


Der Weg wird jetzt steiler und schmäler


Das alte Bahnhofsgebäude, jetzt in Privatbesitz (der Verkehr wird automatisch gesteuert)

Nachdem noch genug Zeit ist, gehe ich einen kleinen Umweg über das Dorf Stugl/Stuls und verlasse den eigentlichen Weg. Ein Wort zu den doppelten Namen: Stugl ist der deutsche Ausdruck, Stuls ist Rätoromanisch, was hier in Graubünden noch gesprochen wird.


Ortsbild mit der Kirche St. Johannes

Mit wunderschönem Ausblick auf schon schneebedeckte Berge bzw. Gletscher geht es nun auch wieder bergab. Ich treffe auf Ziegen mit einer Hirtin. Ich frage die Hirtin, ob ich ein Foto machen darf; was ich nicht wusste, dass ich nun in ein Gespräch über Gott verwickelt werde. Ich will da immer nicht unhöflich sein, aber aber man wird solch missionierende Leute auch schwer los wenn man höflich bleibt. Ich mag diese Missioniererei nicht, bin der Meinung dass jeder nach seiner Fasson selig werden soll – leben und leben lassen.


Ziegen

Kurz vor 16 Uhr erreiche ich dann mein Ziel Bergün. Für ein Besuch des Bahnmuseum Albula reicht die Zeit nicht mehr wirklich. Ich kaufe ein paar Postkarten und bestaune die Exponate am Vorplatz.


Filisur


Das «Krokodil»

Die Albulabahn wurde bereits 1919 mit 11 kV, 16⅔ Hz elektrifizert. Der Strom kam aus Wasserkraftwerken. Die Schweiz hatte keine eigenen Kohlevorkommen, war also auf Importe angewiesen, konnte aber Strom relativ einfach mit Wasserkraftwerken herstellen. Zudem ist Dampfbetrieb bei den vielen Tunnel aufgrund der Rauchentwicklung problematisch gewesen. Heute sind in der Schweiz alle Bahnstrecken elektrifiziert, davon können wir in Deutschland nur träumen.

Noch kurz durch's Dorf in mein Hotel Piz Ela.


Hotelzimmer

Der erste Tag ist geschafft, zum Abendessen gibt es Pizza – das Hotel gehört Italienern. Ich bin von der Landschaft und den vielen Begegnungen mit der Rhätischen Bahn begeistert und freue mich auf morgen. Menschen begegnet man relativ wenig, kein Vergleich zum deutschen Alpenvorland. Es ist natürlich Ende September und irgendwie habe ich das Gefühl, dass es sich in der Schweiz anders verteilt.

Tag 2: Bergün – Albulapass

Laut Plan würde die heutige Etappe nur bis Preda gehen, allerdings habe ich dort keine Unterkunft gefunden und stattdessen am Albula Hospiz ein Zimmer gebucht. Der Albulapass liegt eigentlich nicht direkt am Wanderweg, hatte also einen kleinen Umweg geplant.

Von der Albulastrecke ist dieser Tag auch der Höhepunkt. Man begeht den Abschnitt, wo die Bahn die doppelte Steigung überwinden muss wie sie eigentlich überwinden kann, also das Gelände ist steiler als die maximale Steigung. Um dies zu erreichen wird die Trasse künstlich in die Länge gezogen: wechselt mehrfach die Seite des Tals über Brücken und Viadukte und wechselt auf einer Seite durch Kehr- und Spiraltunnel die Richtung. Fährt man mit dem Zug weiß man irgendwann nicht mehr in welche Richtung man eigentlich fährt. Auch von außen beim Wandern ist es nicht unbedingt sofort nachvollziehbar, wo der Zug als nächstes fährt, aber man versteht das Ganze schon deutlich besser.


Das Hotel Piz Ela, in dem ich übernachtete


Bergün nochmal aus der Ferne


Herrlicher Sonnenschein


Zahlreiche Viadukte


Auch Güterzüge fahren hier


Ein Viadukt von unten

Der erste Teil der Wanderung geht bis Preda. Ich fand ein paar Stellen etwas doof zu gehen, vor allem den Teil wo der Bach/Wasserfall überquert wird; nicht die Überquerung an sich sondern der Zugang. Gefährliche, ausgesetzte Stellen sind aber nicht dabei bzw. durch ein Geländer gesichert.

Eine Besonderheit ist die Passstraße: sie ist im Winter gesperrt und wird zur Schlittenbahn: man fährt mit der Rhätischen Bahn hoch und mit dem Schlitten runter. Dafür gibt es dann auch spezielle Tickets.

Gegen Mittag erreiche ich dann Preda, eine wirklich sehr kleine Ortschaft. Dort beginnt der Albulatunnel, der einzige längere Tunnel der ganzen Strecke. Der Tunnel wird aktuell neu gebaut, d. h. statt einer Sanierung mit langer Streckensperrung wird einfach der gleiche Tunnel daneben errichtet. Der alte Tunnel dient dann als Sicherheitstunnel. Viele Informationen dazu finden sich auf der Seite „Der Neubau des Albulatunnels“ sowie im dortigen Infozentrum. Es werden auch Baustellenführungen angeboten, allerdings halt nicht zu dem Zeitpunkt, wo ich grad dort war.

Zu dem Zeitpunkt, wo ich unterwegs war, war dann der weitere Wanderweg gesperrt aufgrund von Fortarbeiten. Eine Umleitung war aber ausgeschildert. Danach wartet ein wunderschöner Bergsee, der Lai da Palpuogna. Der See bietet sich an, eine kurze oder längere Pause zu machen.


Palpuognasee

Zum Hospiz – das Wort hat übrigens nichts mit Sterben zu tun sondern ist wörtlich zu nehmen und steht lediglich für eine Herberge, siehe Hospiz (Begriffsklärung) – wird jetzt die Passstraße einmal überquert und damit ändert sich auch der Charakter des Weges. War der bisherige Weg eher durch Wald geprägt, wird jetzt langsam die Baumgrenze überschritten. Ich mag diese Landschaft wirklich sehr, besonders wenn das Wetter so angenehm ist wie während dieser Wanderung.


Wanderweg zum Hospiz, abseits von der Passstraße


Und hier ist es dann

Angekommen, nach 13,8 km und immerhin 950 Höhenmetern. Es war durchaus noch reger Betrieb, einige Motorradfahrer und auch bei (Renn)radlern ist der Pass beliebt, vor allem ist auch relativ wenig Autoverkehr.


Der Albulapass

Von der Unterkunft war ich ziemlich begeistert. Alles ist erneuert mit hellem Holz und einem sehr bequemem Bett. Die anderen Zimmer haben genauso gut ausgesehen, tatsächlich stand nämlich alles offen, da ich der einzige Übernachtungsgast an diesem Tag war.


Mein Zimmer

Es wird langsam dunkel, eine sehr schöne Stimmung. Abendessen war auch lecker, besonders günstig ist es hier allerdings nicht, weder das Essen noch die Unterkunft.

Nachts ist es wunderbar ruhig hier oben gewesen. Praktisch kein Autoverkehr, kein Licht, klarer Sternenhimmel. Fast wie auf einer Berghütte nur mit mehr Komfort. Kann dieses Hospiz und den Umweg wirklich sehr empfehlen. Leider kann man nicht über die üblichen Plattformen buchen sondern lediglich per E-Mail oder telefonisch, vielleicht auch mit ein Grund warum es leer war.


Nachts

Etwas Bauchschmerzen hat mir dann noch der nächste Tag bereitet. Ich habe mir den Weg über die Crap Alv nämlich jetzt näher angeschaut und mir war er nicht so ganz geheuer was die Schwierigkeit in Bezug auf abschüssige Stellen betrifft. Ich habe dann beschlossen: ich schau ihn mir an, ggf. nehme ich aber Plan B: das ist der Wanderweg bzw. Biketrail entlang des Albulapasses und dann am Höhenweg entlang des Inntals nach Bever. Um den Weg abzukürzen, ich muss quasi am Anfang einen Teil zurücklaufen, den ich hergelaufen bin, buche ich für den nächsten Tag ein Ruftaxi um genau 9 Uhr.

Tag 3: Albulapass – Bever

Hier oben habe ich sehr gut geschlafen. Als einziger Übernachtungsgast bin ich logischerweise auch der einzige Frühstücksgast. Ich lasse mir noch ein Lunchpaket einpacken und bezahle. Etwas witzig fand ich „da haben Sie aber glück dass das mit der Karte funktioniert“, schließlich hätte ich gar nicht genug Bargeld dabeigehabt. Gerettet hat mich Apple Pay, da vom Kartenlesegerät der Chipleser defekt ist und nur kontaktlose Karten funktionieren. Bei deutschen Karten führt die Anwendung der kontaktlosen Funktion aber offenbar dazu, dass man zum Einstecken aufgefordert wird. Im Detail ist das selbst für mich, der sich mit den Hintegründen von Kartenzahlung ganz gut auskennt, ein Buch mit sieben Siegeln.

Am liebsten würde ich hier oben bleiben.


Der Rufbus bzw. das Anruftaxi

Die Busfahrt dauert keine 10 Minuten. Ich muss bar bezahlen, wurde mir am Telefon aber gesagt. Alternative ist noch TWINT, ein schweizer Zahlungssystem mit App, was aber für Ausländer ohne Bankkonto in der Schweiz nur mittels Prepaid-Aufladung beim Supermarkt zugänglich ist. Ich hatte es bei meiner letzten Wanderung benutzt, mich dann aber dafür entschieden, den Account wieder zu löschen. Ganz ohne Bargeld geht's doch nicht, und dann hebe ich lieber etwas mehr Bargeld ab als mich mit drei Zahlungssystemen rumzuschlagen.

Ich bin dann fünf Minuten den Wanderweg zur Crap Alv hoch, irgendwie war mir dann aber mulmig. Ich hatte ein ungutes Gefühl und hatte mich auch nicht hunderprozentig fit gefühlt und mich für Plan B entschieden. Better safe then sorry. Will aber hier keinem Angst machen, ich bin wirklich sehr vorsichtig und die meisten dürften mit dem Weg keine Probleme haben. Klassifizierung als T2 und T3.

Nachdem das Taxi weg ist, muss ich logischerweise jetzt nochmal den gleichen Weg zurücklaufen. Da ich von der anderen Seite komme ergibt sich aber ein leicht anderer Weg am Anfang, und ich komme an einer alten Festungsanlage vorbei, die nicht mehr militärisch genutzt wird. An bestimmten Tagen gibt es sogar Führungen, mehr dazu auf der Webseite „Festung Albula“. Militärische Anlagen in den Schweizer Alpen ist nochmal ein ganz anderes, interessantes Thema, das mir am Gotthard beim Vier-Quellen-Weg schon begegnet ist.


Festung Albulapass

Wieder angekommen am Hospiz gehe ich jetzt also den Biketrail entlang des Albulapasses. Er ist aber in entsprechenden Karten auch als Wanderweg verzeichnet. Hatte zuerst mit vielen Radlern gerechnet, am Ende waren es glaub ich nichtmal fünf, denen ich während der ganzen Zeit begegnet bin. Ließ sich gut wandern, aber mit dem Mountainbike wäre es mir zu gefährlich. Aber ich bin auch kein Mountainbiker sondern nur Trekkingradler.


Bike Trail am Albulapass

Mir hat der Teil sehr gut gefallen, man hört zwar die Straße, man läuft aber weit genug davon entfernt, dass es nicht wirklich störend wirkt.


Auf der anderen Seite des Passes

Das erste Mal benutze ich heute dann auch meinen Wasserfilter. Muss aber zugeben, dass ich das Wasser hier auch ohne Filter getrunken hätte. Aber wenn man das Teil schon dabei hat, kann man es schließlich auch verwenden, genau dafür hatte ich es gekauft, um gefahrlos Wasser trinken zu können.


Ganz am Ende des Passes wechselt dann der Charakter des Weges und man läuft ein Stück durch den Wald. Es geht abwärts und man sieht schon den Inn, den Ort La Punt Chamues-ch und wir befinden uns im Engadin. Für mich geht es dann „rechts“ auf die Via Engiadina, ein Höhenweg im Inntal. Dort warten noch ein paar schwierige Stellen auf mich, teilweise aber auch einfache Fortswege. Gefährlich ist es aber nicht. Ich war ganz froh, mir den Crap Alv erspart zu haben, auch wenn ich es anderseits auch gerne gewagt hätte. Ich muss wirklich mal mehr an meiner Höhenangst arbeiten, nur ist es halt auch keine irrationale Angst: ein falscher Schritt kann im Extremfall den Tod bedeuten.


Blick auf Bever

Schon um 15 Uhr erreiche ich heute mein Etappenziel, nach 13 km, nur 230 hm nach oben aber 700 hm nach unten. Trotzdem tun mir die Füße wegen meiner Blasen weh. Ich hatte mir neue Bergschuhe gekauft, da mir beim letzten Mal klar war, dass meine alten ein Fehlkauf waren, da eine Nummer zu klein. Nun waren diese neuen Schuhe aber nicht eingelaufen. Wegen meiner Zehenverletzung im August war das leider auch keine wirkliche Option, die ganze Wanderung hing am Schluss am seidenen Faden. Ehrlich gesagt hatte ich an dem Tag dann auch überlegt irgendwie abzubrechen, ich hatte mich aber auch so auf den zweiten Teil, die Berninastrecke gefreut und bei den schönen Wetteraussichten wollte ich es durchziehen.

Spoiler: Natürlich hatte ich mich mit Blasenpflaster versorgt, betroffen waren die großen Zehen auf der Außenseite. An dem Abend hatte ich zudem noch die Einlagen beschnitten, um einen Millimeter Platz an der Stelle zu gewinnen. Im Internet las ich außerdem, dass etwas Feuchtigkeit von Tauwiesen hilft, das Leder geschmeidiger zu machen. Aber zuguter Letzt hatte ich dann am nächsten Tag herausgefunden, dass ich die Schuhe stärker schnüren muss. Alles in allem hat das Ganze geholfen, am nächsten Tag wurde es dann langsam besser und am Ende waren die Blasen zwar noch nicht verheilt, aber auch kein Problem mehr. Aufgestochen habe ich sie aber nicht, da das zu Infektionen führen kann.

Zurück zu Bever: ein kleines Bergdorf, das noch ziemlich ursprünglich ist und nicht unter dem Tourismus leidet. Das Hotel hat mir sehr gut gefallen, das Personal bzw. die Besitzerin waren überaus nett, die Zimmer waren mit antiken Möbeln eingerichtet. Sowas hat einfach viel mehr Charme als die anonymen Hotelketten in den Großstädten. Anders als das Bild vermuten lässt: das Bett hatte immerhin (geschätzt) 1,90 m, mit meinen 1,86 m konnte ich also gerade noch so ausgestreckt liegen.


Mein Zimmer


Hotellobby

Den Abend konnte ich dann noch nutzen, um etwas im Dorf rumzulaufen. Zum Glück hatte ich meine neu gekauften Barfußschuhe als Alternative zu den Bergstiefeln dabei, damit konnte ich dann schmerzfrei laufen. Den Tipp hat mir ein Arbeitskollege gegeben, diese Barfußschuhe nehmen wirklich kaum Platz im Gepäck weg und wiegen auch nicht viel und im Gegensatz zu Badeschlappen kann man damit halt auch im Ort rumlaufen oder Zug fahren und im Gegensatz zu Flip-Flops kann man Socken tragen.


Hotel von außen


Kirche


„Bever“ leitet sich von „Biber“ ab, wie man hier sieht

Hier treffe ich dann auch wieder „meine“ geliebte Rhätische Bahn wieder, die inzwischen vom anderen Seitental kommt und den Tunnel längst verlassen hat. In Bever trifft sich dann auch wieder der Weg mit der Via Albula/Bernina. Mit den Etappen bin ich aktuell eben aus buchungstechnischen Gründen nicht ganz synchron mit den offiziellen Etappen.


Bahnhof


Umspannwerk

In Bever gibt's auch einen kleinen Supermarkt, den Volg, insofern spare ich mir das Abendessen im Restaurant und kaufe hier einen Nudelsalat. Schweiz ist schließlich teuer, und das Restaurant im Hotel hat an diesem Tag ohnehin geschlossen.

Von den Dörfern hat mir Bever, neben Filisur übrigens am besten gefallen.

Tag 4: Bever – Pontresina

Der Tag startet mit etwas Tau im Inntal. Heute wartet mit 18,5 km der längste aber auch der flachste Abschnitt (290 hm nach oben, 190 m nach unten) auf mich.


Das Inntal

Parallel zu Inn und Bahnstrecke geht es über Samedan zunächst nach St. Moritz.


Ein cycletux, der Pause macht

Bei Celerina/Schlarigna folgt ein sehr schöner Abschnitt entlang der Innauen. Immer wieder ergeben sich Gelegenheiten, einen Zug abzulichten wie hier:


Rhätische Bahn im Oberengadin vor St. Moritz


Innauen

Kurz vor St. Moritz geht es dann erstmal wieder bergauf. Ich komme an diesem skurrilen Bauwerk vorbei, ein Relikt der Olympischen Winterspiele von 1948.


Es ist nicht mein erstes Mal in St. Moritz: ich war hier bereits vor drei Jahren im Winter, damals war der See zugefroren. Die Innenstadt hat mir noch gefehlt, aber um ehrlich zu sein, ich verstehe nicht was so toll sein soll hier: ein Hotel nach dem anderen, teuer, zu viele Touristen. Einzig die Bahnhofsunterführung hat was. Ich schaue eher dass ich wieder wegkomme und bin froh, dass ich nicht hier eine Übernachtung gebucht habe – eigentlich wäre das nämlich Etappenende bzw. -start gewesen.


Schiefer Turm von St. Moritz


Innenstadt


Rathaus


Mosaik in der Bahnhofsunterführung


St. Moritzersee

Am See genieße ich die Mittagspause. Hier ist der Trubel schon viel weniger, wenngleich natürlich auch hier noch Touristen sind. Nach einer halben Stunde erreiche ich aber schon den nächsten See, den ich nicht auf dem Schirm hatte, den Stazersee. In einem Moorgebiet gelegen ist es hier wunderbar ruhig (also nicht menschenleer). Das Wasser ist aber kalt, ein Schwimmer trägt hier einen Neoprenanzug. Viel schöner als der St. Moritzersee finde ich.


Stazersee

Es folgt ein Abschnitt durch den Stazerwald, einem Gebiet mit Lärchen, Bergföhren und Arven. Neben den Bäumen gibt es hier feuchte Senken, Flach- und Hochmoore. Durch dieses Gebiet war ursprünglich die Bahnstrecke von St. Moritz nach Pontresina geplant, aufgrund des Widerstands von Naturschützern wurde dann die heutige Trasse quasi „außen rum“ gebaut. Auch damals gab es also bereits eine Interessenabwägung zwischen Naturschutz und Infrastruktur.

Apropos Bahn: in St. Moritz war das Ende der Albulabahn und der Beginn der Berninabahn: auch wenn man sie meist in einem Atemzug nennt, so sind es zwei getrennte Strecken mit einigen Unterschieden. Während die Albulabahn mit 11 kV, 16⅔ Hz nachträglich elektrifiziert wurde und eine maximale Steigung von 35 ‰ aufweist, wurde die Berninabahn von Beginn elektrisch gebaut, und zwar mit 1 kV Gleichstrom, unter anderem aufgrund der Abschnitte mit hohen Steigung, maximal 72 ‰. Von der Stromversorgung her ist sie also eine „Straßenbahn“, und nicht nur das: es gibt zwei Abschnitte am Ende wo sie als Straßenbahn fährt, weil kein Platz für eine eigene Bahntrasse war.

Das letzte Stück wandere ich entlang der Gleise, die Straße hört man deutlich. Alternativ hätte es noch den Weg im Wald gegeben, dafür sieht man die Züge nicht. Man sieht Pontresina schon.


Letztes Stück


Bahnhof Pontresina

Kurzer Abstecher zum Bahnhof, praktischerweise hat der Kiosk Blasenpflaster, so muss ich die nicht in der Apotheke kaufen. Glücklicherweise ging bis jetzt alles gut, nachdem ich die Schnürung verändert habe ließen die Schmerzen nach. Die flache Etappe half auch, die Abschnitte nach unten waren am schmerzhaftesten für die Stelle.

Pontresina ist wieder etwas touristisch, viele Hotels. Ich hatte im Sporthotel gebucht, am Empfang hat mich eine Dame mit sächsischem Akzent bedient. Ist das hier etwa die Sächsische Schweiz? Vom Zimmer war ich echt angetan, nicht das günstigste aber neben dem Albula-Hospiz das angenehmste.


Zimmer im Sporthotel


Wusste ja, dass die Schweizer rückständig sind, aber so krass?

Noch ein paar Eindrücke vom Ort am Abend:




Gegessen habe ich in der Pizzeria in der Nähe des Bahnhofs, fand die Pizza aber nicht so besonders.

Tag 5: Pontresina – Ospizio Bernina

Rein von den Bildern und von meiner letzten Zugfahrt im Winter der kompletten Strecke (bis Alp Grüm) habe ich mich eigentlich immer auf die Berninastrecke mehr gefreut wie auf die Albulastrecke: oberhalb der Baumgrenze, der Lago Bianco und eine Bahn, die den Pass ohne Tunnel bezwingt. Außerdem verläuft der Teil nach dem Lago Bianco dann in einem anderen Tal wie die Passstraße, also Ruhe.

Den Morgen nutze ich erstmal zum Einkaufen beim coop-Supermarkt, wo ich prompt meine Wanderstöcke vergesse, was ich einen Kilometer später dann merke. Glück im Unglück: sie standen noch dort, wo ich sie zum Einpacken hingestellt hatte. Also den gleichen Weg nochmal.

Heute steht mit 18,2 km wieder eine längere Etappe bevor, die 520 hm aufwärts verteilen sich aber gut. Die moderate Steigung nimmt man auch am Verlauf der Bahntrasse wahr, die ohne aufwendige Maßnahmen zur künstlichen Streckenverlängerung auskommt und sich im wesentlichen so dahinschlängelt. Fototechnisch passt das sehr gut!

Der erste Teil des Wanderwegs ist ein normaler, auch gut mit dem Fahrrad befahrbarer, Forstweg im Wald. Nach vier Tagen Wandern merke ich aber auch, dass ich einfach ziemlich kaputt bin, das zieht sich durch den ganzen Vormittag und wird dann mit der Mittagspause besser. Die Blasen an den Zehen machen mir hingegen weniger zu schaffen. Nach einigen Tagen nur Sonne ist es heute bewölkter, aber trocken.


Wandern entlang der Bahnstrecke macht Spaß

Erstes Ziel ist der Bahnhof Morteratsch, der eigens für Touristen gebaut wurde, die den gleichnamigen Morteratschgletscher besuchen wollen. Waren es beim Bau der Bahnstrecke vor hundert Jahren bloß ein paar Minuten zum Gletscher, so läuft man heute über eine Stunde. Gerade in den letzten Jahren hat sich der Rückgang aufgrund des Klimawandels immer mehr beschleunigt. Zwei Stunden kann ich natürlich nicht aufbringen.


„Kunst in der Natur“: hier geht's zum Morteratschgletscher

Um den Bahnhof befinden sich noch eine Gaststätte sowie Hotels. Vor allem beginnt hier ein kleiner Themen-Wanderweg Wasserfallweg Cascada da Bernina, der dann auch Teil meines Weges ist.


Blick zum Gletscher


Wasserfall

Weiter im Wald wird nach und nach die Vegetation dünner. Neben Wanderern hier auch Mountainbiker, aber insgesamt wenig los, man kann das nicht mit den bayerischen Voralpen vergleichen. Die Passstraße befindet sich hier näher am Wanderweg, der Berninapass hat auch mehr Verkehr als der Albulapass. Die Bahnhöfe entlang der Strecke wurden eigens für Seilbahnen gebaut.



Hier in der Gegend gäbe es auch jede Menge Bergwanderwege und Berghütten. Aber alles gleichzeitig geht leider auch nicht. Letzte Zwischenstation ist dann die Talstation der Seilbahn Diavolezza. Würde mich natürlich schon sehr reizen, da hochzufahren, aber Geldbeutel und Uhr sagen „nein“.


Jetzt wird es endgültig alpin, kein Baum mehr weit und breit. Wie man sieht ist heute auch der Tag mit den meisten Bahnfotos, man hat einfach ständig Blick auf die Bahnstrecke. Kurz vor dem Ziel der Lej Nair, der Schwarzsee.


Lej Nair

Kurz darauf erblickt man dann den Lago Bianco, den weißen See. Zwischen den beiden Seen ist auch die Wasserscheide, die gleichzeitig die Grenze zwischen dem italienischsprachigen Teil von Graubünden und dem deutsch-/rätoromanischsprachigen Teil von Graubünden darstellt. Man erkennt das auch an dem Namen der Seen: Lej rätoromanisch und Lago italienisch. Der Lej Nair entwässert über den Inn und die Donau ins Schwarze Meer, der Lago Bianco über den Po in die Adria.


Wasserscheide

An diesem Punkt denkt man, dass man eigentlich angekommen ist, bis hoch zum Ospizio Bernina (das vom gleichnamigen Bahnhof dann auch nochmal ein kleiner Fußweg entfernt ist) sind es dann nochmal 30 Minuten. Dummerweise gibt es oben am Pass gleich zwei Restaurants mit Zimmern, und ich muss erstmal fragen, wo ich überhaupt reserviert habe.


Lago Bianco

Leider ist die Passstraße ziemlich befahren, auch nachts. Die Zeit, wo man mit offenem Fenster schläft, ist aber auch vorbei. Die Pizza im Restaurant ist sehr lecker, die beste auf meiner Wanderung. Irgendwie bin ich am „Ziel“, am Höhepunkt angekommen, am vielleicht schönsten Bahnhof der Schweiz. Das ist das dritte mal hier: einmal im Winter, als der See zugefroren war, allerdings nur eine Stunde Aufenthalt bis zum nächsten Zug, und einmal nur durchgefahren auf dem Weg von Italien nach Zürich.

Etwas getrübt war meine Stimmung durch den Umstand, dass ich am Abend feststellte, dass ich mich „verbucht“ hatte: morgen zwei Übernachtungen gleichzeitig und übermorgen gar keine. Ich kontrolliere normalerweise alles dreifach, aber hier habe ich mich wohl vertan. Ich befürchte, dass ich die Stornierung bzw. Umbuchung bezahlen muss. Ich kontaktiere über den Booking-Chat das Hotel in Le Prese, ob vielleicht doch noch eine Änderung des Datum möglich ist.


Ospizio Bernina bei Nacht


Lago Bianco bei Nacht

Nachts wache ich dann auf, schaue auf mein Smartphone und sehe die erlösende Nachricht: ich wurde kostenfrei umgebucht!

Tag 6: Ospizio Bernina – Alp Grüm – Cavaglia

Übernachtung auf 2306 m, und das nichtmal eine Berghütte. Zum Vergleich: die Totalphütte liegt auf 2385 m nur unwesentlich höher, es fühlt sich aber ganz anders an.


So muss das Frühstück gut schmecken

Nach zwei längeren Etappen ist die heutige geplante Etappe ziemlich kurz: es geht lediglich zur Alp Grüm, ich werde sie aber kurzfristig verlängern um morgen etwas Höhenmeter im Abstieg zu sparen. Das wird nichts an der Übernachtung ändern, ich fahre einfach eine Bahnstation wieder zurück und morgen dann am Morgen eine Station mit dem Zug wieder vor.

In diesem Abschnitt verlässt die Passstraße dann die Bahntrasse. Man hat die Bahntrasse bewusst komplizierter aber schöner gemacht, die Berninabahn war im Gegensatz zur Albulabahn von Anfang an als touristische Bahn konzipiert. Ursprünglich nur für den Sommerbetrieb gebaut hat man ziemlich früh erkannt, dass man die Bahn auch im Winter fahren lassen kann. Vom Lago Bianco zur Alp Grüm wird die Strecke nun auch wieder steiler, was wiederum eine interessante Streckenführung mit Kehrtunnel und Schleifen zur Folge hat.

Vom Ospizio oben geht es wieder runter zum See, zunächst zum Bahnhof. Dort dann entlang des Sees bis zur südlichen Staumauer, wo man nochmal einen wunderschönen Blick auf den ganzen See hat.


Bahnhof Ospizio Bernina


Der Bernina Express entlang des Lago Bianco


Blick auf den Lago Bianco


Die Staumauer


Blick nach Süden in Richtung Alp Grüm bzw. Posciavo

An dieser Stelle kann man nun direkt weiter zur Alp Grüm gehen und man ist in einer Stunde dort. Der Wanderweg 33 geht aber einen Umweg, nochmal den Berg hoch zum Sassal Mason, wo früher mal ein Bergrestaurant war, das aber nicht mehr geöffnet ist (vielleicht ja mal wieder). Von dort hat man einen wirklich wunderbaren Blick, man sollte sich diesen „Umweg“ also nicht entgehen lassen!


Ausblick vom Sassal Mason


‥ in die andere Richtung

Der Aufstieg zum Sassal Mason ist einfach, der Abstieg Richtung Alp Grüm etwas schmaler und abschüssiger aber nicht steil. Für mich so der Grenzbereich, vor dem ich Respekt habe, aber wo ich mich gerade noch wohl fühle.


Weg nach unten

Unten angekommen trifft man hier wieder auf den direkten Weg vom Ospizio Bernina zur Alp Grüm, auf kleine Bäume, und auf die Rhätische Bahn.


Neben der Alp Grüm gibt es hier noch das Casa Alpina Belvedere weiter oben.


Casa Alpina Belvedere


Alp Grüm

Bahntechnische Besonderheit auf dem Bild: die Berninabahn wird für den Abschnitt des Bahnhofs rein rechtlich zur Straßenbahn. Das hat den Grund, dass der Bahnübergang nicht den Anforderungen einer normalen Bahnstrecke genügt und hier quasi dann auf Sicht gefahren wird. Pragmatische Lösungen, sowas liebe ich.

Dort angekommen gönne ich mir einen Eiscafé im Alp Grüm, was ich allerdings nicht gemacht hätte, wenn ich gewusst hätte, wie lange Bestellung und Bezahlung letztlich dauern. Ich verstehe ja dass es stressig ist und mache dem Personal keinen Vorwurf, allerdings könnte man halt auch auf „Bestellen und Bezahlen am Tresen“ umstellen. Gerade in einem Bahnhofsrestaurant will man vielleicht nicht ewig warten sondern muss zum Zug.

Egal, die Wartezeit hat sich letztlich gelohnt, denn auf der anderen Seite des Hauses stand dann diese Schönheit bereit:



Museumszug der Rhätischen Bahn von hinten und vorne

Hier werde ich übernachten, aber um 13 Uhr einchecken ist dann doch arg früh. Insofern setzte ich, wie bereits erwähnt, die Wanderung fort. Von der Alp Grüm geht es teilweise sehr steil (aber alles andere als abschüssig) nach unten zu einem kleinen See mit Wasserkraftwerk.


Von dort sieht man auch die Galerien der Bahnstrecke am Berg wie sich die Bahn langsam herabwindet und über Kehrtunnel wendet.


Vom See gibt es zwei Wege nach unten ins Puschlav, ich wähle den technisch einfacheren, nochmal etwas hoch und dann wieder runter. Vorteil: man sieht die Bahn öfter.


Schließlich erreiche ich um halb vier Cavaglia mit Bahnhof, wo ich dann den Zug nach oben nehme.


Cavaglia


Bahnhof Cavaglia

Angekommen wieder in Alp Grüm, ich checke erstmal ein. Mein Zimmer hört auf den Namen Palü, der Ausblick ist einfach wunderbar. Keine Straße weit und breit, das Hotel ist nur zu Fuß und per Zug erreichbar. Am Abend gehe ich nochmal raus und genieße den klaren Himmel. Im Gebirge geht die Sonne um diese Zeit schon sehr früh unter, gerade in Nord-Süd-Tälern wie hier. Dieses Bild ist von 18:10 Uhr, zu Hause ist der Sonnenuntergang um 19 Uhr.


Alp Grüm

Auf Anraten meines Schweizer Freundes Lukas gibt's heute dann auch mal keine Pizza sondern was bündnerisches, hab den Namen aber schon wieder vergessen von dem Gericht. Die Portion ist etwas übersichtlich.


Abendessen

Tag 7: – Cavaglia – Le Prese

Beim morgentlichen Blick aus dem Fenster sehe ich einen normalen RhB-Triebzug mit einem Anhänger der Supermarktkette coop. So wird also hier das Frühstück transportiert. Überhaupt schafft die Rhätische Bahn all das was mir immer in Deutschland erklärt wird was angeblich nicht gehen kann. Dazu gehören eben auch Triebwagen an die man herkömmliche Personen-, Gepäck- oder Fahrradwagen anhängen kann.


RhB-Triebzug mit Güteranhänger


Blick aus dem Fenster

Begeistert bin ich auch von dieser „Bahnhofsuhr“ (für das SBB-Design hat's dann nicht gereich) im Restaurant. Das besondere: kurz vor Abfahrt der Züge leuchtet der Name der jeweiligen Richtung, in der der Zug fährt.


Bahnhofsuhr im Restaurant Alp Grüm mit Richtungsanzeige

Um 8:47 fährt mein Zug nach unten ein. Ich verabschiede mich von der Alp Grüm.


Mein erstes Ziel ist der Gletschergarten Cavaglia, der auch direkt am Weg liegt. Die speziellen Gletscherformationen sind das Resultat eines Naturphänomens: durch den kraftvollen, ständigen Druck des Gletscherwassers haben rotierende Steine und Sand im Laufe der Jahrtausende Gletschermühlen in den Felsen gegraben.


Direkt im Anschluss kommt dann die Schlucht.


Heute liegen wieder 750 hm nach unten vor mir. Anstrengend für die Gelenke, mit Stöcken aber eigentlich kein Problem. Technische Schwierigkeiten oder abschüssiges Gelände erwarten mich nicht mehr. Hinten sieht man dann bereits den Puschlav, das Val Poschiavo, also das Tal des Poschiavo (sowohl der Ort als auch der Fluss tragen diesen Namen).


Blick ins Puschlav

Am Wegrand ein paar alte Häuser, von Siedlung würde ich noch nicht sprechen.



Blick auf Posciavo

In Posciavo gehe ich erstmal Einkaufen und anschließend an den Bahnhof, um mir die Reservierung für den Panoramawagen des Bernina Express zu kaufen. Der Aufpreis sind 25 CHF und die Kombination mit einem Sparpreisticket der Deutschen Bahn ist möglich. Man kann aber auch zuschlagfrei im normalen Wagen reisen. Der Aufpreis lässt sich auch online kaufen, allerdings nicht übrer die SBB-App sondern nur über die Seite der Rhätischen Bahn, die etwas umständlich am Smartphone zu bedienen ist. Der Kauf am Schalter geht schneller wenn man ohnehin vorbeikommt.


Marktplatz von Poschiavo


Uhrturm

Poschiavo fand ich echt schön, man merkt den italienische Flair schon deutlich. Der letzte Abschnitt der Etappe verläuft dann wiederum flach im Tal, oft englang des Flusses.


Hinter einer Friedhofsmauer wartete diese süße Miezekatze auf mich:



Der Fluss Poschiavo

Am Ende dann der Puschlaversee, italienisch Lago di Poschiavo. Die Wassertemperatur habe ich nicht überprüft. Angekommen in Le Prese, wo ich dann übernachte. Wie bereits angekündigt fährt hier die Rhätische Bahn als Straßenbahn:


Perfekter Ausblick vom Zimmer:


Im Hotel war man übrigens sehr nett. Die Dame sprach perfekt deutsch (hier nicht selbstverständlich, schließlich sind wir im italienischen Teil von Graubünden), nur wollte sie mir für morgen quasi den Höhenweg „einreden“ weil der andere Weg nicht schön wäre, nur an der Straße. Nach 7 Tagen hatte ich aber genug vom Bergauf und wollte entspannt bergab wandern, insofern lehnte ich ab.

Am Abend noch einen kleinen Spaziergang. Es war Samstag, die Geschäfte hatten bereits zu.


Tag 8: Le Prese – Tirano

Auf zum Finale! Etwas wehmütig, dass der letzte Tag ist, aber eigentlich auch froh, dass es nun bald geschafft wird. Es war mit Abstand meine längste Wanderung, das Maximum waren bisher vier Tage am Stück, allerdings dann mit Berghütten statt Hotels.

Der Tag beginnt diesig, was durchaus recht schöne Fotos beschert hat.


Morgendlicher Ausblick aus dem Hotel in Le Prese

Am Anfang läuft man tatsächlich direkt zwischen Straße, Bahnstrecke und See. Heute am Sonntag morgen morgen ist aber auch nicht viel Verkehr, und die Möglichkeit, nochmal Züge ablichten zu können, ist ja nicht negativ. Umso mehr Verkehr ist am Fußweg, wundere mich über die ganzen motivierten Läufer am frühen Sonntagmorgen, bis ich dann später sehe, dass es mit einer Laufveranstaltung zu tun hat.


Lago Poschiavo am Morgen


Die RhB darf auch hier nicht fehlen


Blick nach Norden

Der Teil an der Straße ist nun auch schon wieder zu Ende, es geht wieder durch den Wald. Von wegen „langweilig“!



Sogar noch ein Geröllfeld, mit dem hätte ich hier nicht mehr gerechnet

Das spannende an diesem letzten Abschnitt ist der schnelle Wechsel der Vegetation. Aber viel mehr freue ich mich nun auf Brusio und das dortige Kreisviadukt von Brusio.


Brusio

Neben der Fotostelle des Landwasserviadukts war dies auch die einzige Stelle wo ich aktiv auf den Zug gewartet habe. Die ganzen anderen Bilder sind nebenbei entstanden. Hatte zwar keinen Fahrplan, glücklicherweise stand aber ein anderer Eisenbahnfotograf, der wusste, wann die Züge kommen.



Kreisviadukt

Irgendein Scherzbold hat sich wohl vom Kreisviadukt inspireren lassen und sein kleines gebaut als Auffahrt:


Der Weg verläuft nun auf einer kleinen Straße neben der Bahnlinie, auf der anderen Seite der Hauptstraße. Mein Mittagessen fiel praktisch aus, die eingeplante Tankstelle hatte praktisch nur Schokoriegel und Getränke. Der letzte schweizer Ort ist nun Campocologno. Es ist alles schon sehr italienisch, die Tankstellen haben Preise in Euro und Franken, je nach Richtung. Deutsch spricht man dort auch nicht. Einzig der Bahnhof der Rhätischen Bahn strahlt noch Schweiz aus.


Bahnhof


Bahnhofscafé

Mental war das für mich jetzt das Ende, bald werde ich in Tirano sein. Es geht nochmal durch den Wald, ich überquere die Grenze.


Grenze nach Italien

Nun könnte ich meiner Planung in Komoot folgen und abwärts gehen ins Hotel, könnte aber auch der Markierung folgen und nochmal aufwärts gehen. Ich bin irgendwie neugierig und folge der Markierung. Ich werde für die Mühen belohnt: am Ende wartet ein herrlicher Ausblick über Tirano und das ganze Tal oben bei der Kirche Santa Perpetua.


Tirano


Santa Perpetua


Mitten in den Weinbergen


Tirano etwas näher


Wallfahrtskirche Madonna di Tirano

Nach dem Abstieg von den Weinbergen, der nochmal erstaunlich steil ist, geht der weitere Weg über den Piazza vor der Kirche entlang einer stark befahrenen Straße. Nachdem das auch der einzige Weg vom Hotel zum Bahnhof ist, werde ich diese Straße noch verfluchen. Verkehrstechnisch ist das hier eine Katastrophe, der ganze Verkehr im Tal geht durch die Stadt und diese eine Straße.

Die beiden Bahnhöfe sind direkt nebeneinander, ein Anschluss der Gleise existiert nicht. Würde aber auch wenig Sinn machen, die Strecke der italienischen Bahn ist schließlich Normalspur, die Rhätische Bahn Schmalspur (Meterspur).


Bahnhof der italienischen Bahn


Bahnhof der Rhätischen Bahn

Ziemlich hungrig gibt's endlich was zu Essen, gegenüber vom Bahnhof ist ein Burgerladen, aber keine Kette sondern was einheimisches. War echt lecker! Ich laufe zum Hotel, checke ein. Ziemlich rudimentär, aber es kostet halt auch nur 40 €. Dieses Zimmer hat den Durchschnitt gerettet! Ausblick auf die Bahn hat man auch hier:


Bin zwar schon müde und kaputt, aber irgendwie hab ich's mir dann doch nicht nehmen lassen am Abend nochmal eine kleine Tour durch die Innenstadt zu machen. Seht selbst, sehr schönes Städtchen.





Heimreise

Alles hat ein Ende. Nun geht es nach Hause. Der Bernina Express fährt um 8 Uhr vom Bahnhof ab. Mit Fußweg ist das jedenfalls früh genug, um das Frühstück zu verpassen, was aber kein Problem war: das Hotel hat angeboten ein Frühstück in einer Kühltasche am Vorabend ins Zimmer zu bringen. Kaffee kaufe ich dann noch am Bahnhof.

Ich hatte mich ja für den Panoramawagen entschieden. Nachteil der Reservierungspflicht: das System hat mich natürlich im leeren Zug direkt neben eine Reisegruppe aus Asien gesetzt. Ich ignoriere das allerdings und setze mich woanders hin.


Panoramawagen

Nun habe ich Gelegenheit, in vier Stunden die letzten acht Tage Revue passieren zu lassen. Man sieht die Landschaft wirklich mit ganz anderen Augen, wenn man da vorher durchgewandert ist. Alles ist viel intensiver. Ich verzichte auch auf Fotos, davon habe ich schließlich die letzten acht Tage genug.

Unterwegs immer mal wieder Verspätung durch die vielen Begegnungsstellen der ansonsten eingleisigen Stelle erreiche ich pünktlich um kurz nach 12 Uhr Chur. Dort noch ein Mittagessen beim Brezelkönig wartet auch schon der ICE, der mich nach Karlsruhe bringt. Dort habe ich mich für eine Zwischenübernachtung entschieden, weil ich am nächsten Tag ohnehin frei habe und ich der Pünktlichkeit nicht getraut habe.

Diese AirBnB-style-Unterkunft war nicht so das wahre, am nächsten Tag dann schließlich mit dem IC2 (Stadler) nach Hause.

Fazit

Die vielleicht einfachste Alpenüberquerung, aber bestimmt nicht die schlechteste. Es war wirklich eine wunderbar intensive Erfahrung. In Hotels statt Berghütten zu übernachten war natürlich viel komfortabler, etwas habe ich die Atmosphäre auf den Hütten und die Gemeinschaft aber auch vermisst. Das hat mir beim 4-Quellen-Weg ganz gut gefallen, die Mischung aus Hotels und Hütten.

Mit dem Wetter hatte ich riesiges Glück, wenn alles neblig ist macht das sicher viel weniger Spaß dort oben.