Planung
Irgendwann Ende Januar war ich frustriert vom Dauergrau und wollte meine letzte Woche Resturlaub, die im März genommen werden musste, etwas wärmer verbringen. Schnell möglichst weit in den Süden mit dem Zug in den Süden, da lag Italien auf der Hand. Auf Sizilien war ich bereits, daher wollte ich mal das Festland im Süden erkunden.
Nach etwas Internetrecherche bin ich auf diesen Artikel über den „Cammino Kalabria Coast to Coast“ gestoßen, hier die offizielle Webseite.
Der Wanderweg führt in drei Etappen von insgesamt 55 km bei moderaten Höhenmetern vom Ionischen Meer im Osten zum Tyrrhenisches Meer im Westen. Wie das halt in der Praxis so ist, der real gelaufene Weg ist dann doch etwas länger, insgesamt 68 km bei 1840 Höhenmetern.
Unterkünfte
Die oben angegebene Webseite ist leider nur auf Italienisch, allerdings kann man sie mit Google Translate oder DeepL ganz gut lesen. Dort kann man auch die GPX-Tracks nach kostenloser Registrierung per E-Mail bekommen. Am problematischsten gestaltet sich eigentlich die Buchung der Unterkünfte dazwischen: die bekannten Portale haben wenig zu bieten, es bleibt einem ohne Italienischkenntnisse nichts anderes übrig als die Liste auf der Webseite per E-Mail abzugrasen, teilweise sind die Unterkünfte im Winter geschlossen, teilweise wird auch nicht auf E-Mails geantwortet obwohl ich die Mails ohnehin mit DeepL zusätzlich zu Englisch auch auf Italienisch geschickt hatte.
Letztlich hat es dann aber doch geklappt eine Unterkunft nach der ersten Etappe zu finden. Die zweite dann über Airbnb, dazu dann aber später mehr.
Wenn man selbst Italienisch spricht oder jemanden kennt ist man klar im Vorteil.
Jahreszeit
Ich bin die Tour im März gelaufen und hatte Glück mit dem Wetter, es war schon ziemlich warm und ich bin durchgehend mit T-Shirt unterwegs gewesen. Sicherlich kann man da auch Pech haben. Im Hochsommer würde ich aber davon abraten, denke so bis Mai und ab September sind sicherlich die besten Zeiten. Mit Schnee muss man vermutlich auch im Winter hier nicht rechnen.
Anreise und Abreise
Ich bin mit dem Zug gefahren und zwar aus einer Kombination aus Tages- und Nachtzüge und mit Zwischenstopps. Bei der Anreise bin ich zunächst nach Lecce in der benachbarten Region Apulien gefahren.
Grundsätzlich findet die Verbindungsauskunft der DB passable Verbindungen. Bei der Buchung muss man allerdings irgendwo in Norditalien splitten:
- Bei einer Fahrt über den Brenner (Innsbruck) empfiehlt es sich, irgendwie in Verona oder Bologna zu splitten, da die DB bis dahin Tickets ausstellen kann. Den italienischen Teil bucht man dann bei der italienischen Trenitalia, die sogar eine Buchungsseite auf Deutsch aufweist und keine größeren Schwierigkeiten bereitet.
- Bei einer Fahrt durch die Schweiz, also über den Gotthardpass, bucht man am besten bis Chiasso, dem letzten Bahnhof der Schweiz. Durchgehende Sparpreise nach Italien gibt es über diese Route nämlich leider nicht, dafür sind die Preise bis Chiasso (vor allem wenn man über die Gäubahn, also Singen(Hotentw) fährt und nicht über den Rhein bzw. über Bregenz), recht moderat. Von Chiasso dann wieder über die Trenitalia.
- Alternativ dazu gibt's auch den Nachtzug nach Rom, welchen man problemlos über Nightjet.com der ÖBB
Nachtzüge
Dazu noch ein Wort über Nachtzüge. Ich persönlich habe diese jetzt erstmal nach dieser Reise beerdigt. Ich kann nicht wirklich gut schlafen, zu laut, zuviel Bewegung. Grad die italienischen Nachtzüge habe ich als extrem unruhig empfunden was das Fahrverhalten betrifft, in Frankreich war ich da viel glücklicher. Mit Ohrstöpseln kann ich wenig anfangen, da mich da mein Tinnitus sehr plagt und um den Schlaf bringt. Ohne wirklich erholsamen Schlaf bin ich am nächsten Tag wie gerädert und auch hier ist mein Tinnitus extrem belastend.
Es muss jeder selbst beurteilen, wie gut er im Nachtzug schlafen kann und ob es den „gesparten“ Tag dann Wert ist. Man muss es ausprobiert haben. Die italienischen Nachtzüge sind auch im Schlafwagen teilweise günstig zu haben, beim NightJet nach Rom muss man aber eher froh sein, überhaupt noch ein Ticket zu bekommen. Tatsächlich war meine Erfahrung aber dass ich im Liegewagen auch nicht schlechter schlafe als im Single-Abteil des Schlafwagens; tatsächlich war mein Schlaf auf einer Berghütte im Matratzenlager um Welten besser als in einem Single-Abteil eines Nachtzuges, aber auch das muss man einfach probieren. Jeder reagiert da anders.
Trotzdem kann man auch ohne Nachtzüge ganz gut nach Kalabrien anreisen indem man die Reise im Norden von Italien splittet und eine Übernachtung einlegt. Hier muss man sehen wo man günstige Hotels findet und wo die Ticketpreise passen, Milano ist da sicherlich nicht das günstigste Pflaster.
Hier ein Beispiel für die Anreise mit Zwischenübernachtung in Bologna von Nürnberg aus:
Nürnberg Hbf ab 08:12 ICE 501
München Hbf an 16:19
München Hbf ab 09:34 EC 83
Bologna Centrale an 16:19
Bologna Centrale ab 10:27 FR 9583
Lamezia Terme Centrale an 17:28
Lamezia Terme Centrale ab 18:40 R 21959
Soverato an 19:58
Bei dieser Verbindung bleibt dann auch noch etwas Zeit, sich am Abend Bologna anzusehen. Im Nachhinein würde ich eher so fahren und mir die Strapazen des Nachtzuges sparen.
Flüge
Als Flughäfen bieten sich wohl Crotone, Reggio Calabria oder auch Lamezia Terme an. Theoretisch kann man auch einfach nach Rom fliegen, vom Fiumicino Aeroporto nach Soverato sind es aber auch nochmal knapp 8 Stunden mit dem Zug. Italien ist sehr lang!
Mit Flügen kenne ich mich aber weniger aus, bei den drei kleinen Flughäfen im Süden muss man wohl schauen wo es die besten Direktverbindungen von einem deutschen Flughafen aus gibt.
Dienstag: Anreise
Nun hatte ich mich ja, wie bereits erwähnt, für den Nachtzug entschieden. Gebucht im Februar hatte ich für die Fahrt nach Chiasso nur 24,70 € bezahlt, das Anschlussticket nach Milano schlug mit 10,90 € zu Buche und schließlich musste ich lediglich 80,90 € für den Nachtzug nach Lecce berappen, also 116,50 € von zu Hause zur Südspitze Italiens. Da kann man jetzt wirklich nicht klagen!
Nürnberg Hbf ab 09:42 IC 2160
Stuttgart Hbf an 11:53
Stuttgart Hbf ab 12:28 IC 187
Zürich Hbf an 15:23
Zürich Hbf ab 15:33 EC 321
Milano C an 18:50
Der Zug hatte dann vor Stuttgart Verspätung so dass zeitweise der Anschluss in Gefahr war, schließlich hat es dann aber gut geklappt und ich war pünktlich in Mailand. Naturgemäß war es schon dunkel, und ich war eigentlich ziemlich fertig. Dazu kommt dass die Wochen davor gesundheitlich herausfordernd waren, in normalen Zeiten wäre es weniger ein Problem gewesen. Lieber hätte ich mir ein Hotel genommen, aber der Nachtzug war schließlich gebucht.
Zwischen Zürich und Milano fährt das Flaggschiff der SBB, der Giruno: ein Triebzug von Stadler, der bis zu 250 km/h schafft. Ich finde die Innenausstattung sehr angenehm, rein akustisch sind mir an der ein oder anderen Stelle störende Geräusche aufgefallen. Das ist etwas der Nachteil von Triebzügen gegenüber lokbespannten Zügen wo am ehesten die Klimaanlage nervt, die reinen Fahrtgeräusche hat man eigentlich mittlerweile schon sehr gut im Griff.
Nichtsdestotrotz durfte ich zwischen Chiasso und Milano die erste Klasse ausprobieren, das Ticket der Trenitalia hat das gleiche gekostet wie in der zweiten Wagenklasse. Nett. Und fast leer.
Der SBB Giruno in der 1. Klasse
Milano Centrale
Der Mailänder Hauptbahnhof ist wirklich eine Kathedrale von Bahnhof. Leider fehlt auch hier, wie in so vielen Bahnhöfen, ein ruhiger Wartebereich wenn man kein Premium-Statuskunde irgendeiner Bahn ist sondern ein schnödes Ticket hat. Die ÖBB erlauben den Zutritt zu diesen Lounges ja immerhin Kunden mit Nachtzugticket im Schlafwagen ganz unabhängig von sonstigen Sammelaktionen, leider nicht so die Trenitalia.
Insofern hatte ich die Zeit damit vertrödelt am Vorplatz schlechtes Fastfood zu essen und dann Züge anzugucken bis irgendwann dann auch schon der ersehnte Nachtzug einfuhr.
Milano C ab 21:25 ICN 765
Lecce an 10:02
Es gibt von Milano zwei Nachtzüge nach Lecce mit unterschiedlichen Laufwegen und Zeitlagen. Ich hatte mich für den früheren entschieden.
Der Nachtzug außen
Das Schlafwagenabteil innen
Ich empfand das Abteil als angenehm, leider schlecht akustisch gedämmt. Es gab etwas Zubehör (Wasserflache, Einwegschuhe, Ohrstöpsel, Orangensaft, Schokolade), ansonsten aber etwas schnörkelloser als im NightJet. Duschen sind keine vorhanden, lediglich ein Waschbecken existiert im Abteil und auf dem Gang sind natürlich Toiletten.
Mittwoch: Lecce
Ich hatte es bereits erwähnt dass der Schlaf sehr schlecht war. Immer wieder etwas geschlafen, letztlich war ich aber wie gerädert mit quälendem Tinnitus und konnte den Morgen nicht genießen obwohl der Ausblick aus dem Fenster durchaus vielversprechend war.
Frühstück im Nachtzug
Ausblick aus dem Fenster
Alter italienischer Triebwagen am Bahnhof
Eigentlich wollte ich ja sofort mit der Besichtigung von Lecce beginnen, letztlich kümmerte ich mich aber erstmal drum ob ich bei der gebuchten Unterkunft möglichst früh einchecken konnte. Ich hatte Glück im Unglück: ich durfte sofort mein Zimmer beziehen und konnte mich da noch etwas ausruhen!
Nebensaison sei dank, das Zimmer hat über Booking keine 50 € gekostet und war mitten in der Innenstadt!
Das Zimmer
Ausblick aus dem Fenster auf den Piazza Sant'Oronzo
Der Nachmittag war dann recht verregnet, ich bin aber natürlich nicht die ganze Zeit im Zimmer geblieben sondern konnte noch einige Eindrücke von der sehr schönen barocken Stadt mitnehmen. Etwas aufpassen muss man allerdings beim Regen, der Boden kann glatt werden!
Hier ein paar Eindrücke der sehr schönen Stadt, im übrigen mit vielen Katzen!
Donnerstag: Zugfahrt nach Kalabrien
Nach einer Nacht schaut die Welt schon wieder ganz anders aus. Ich war gut erholt und nun fit für die nächste Zugfahrt, welche ein Higlight werden sollte: von der Ferse des Stiefels zur Spitze mit einem längeren Abschnitt direkt an der Küste.
Aber erstmal noch Briefmarken für Postkarten kaufen, bin da sehr analog unterwegs. In Italien gibt's die nicht in Schreibwarenläden sondern nur auf Postämtern (Schreibwarenläden verkaufen einem gerne Briefmarken für private Postdienste, die aber noch viel unzuverlässiger sind als die eh schon langsame italienische Post).
Briefmarken sind in Italien allerdings deutlich weniger üblich als hierzulande: ich musste erst den Postbeamten mittels einer Übersetzungs-App überhaupt überzeugen, was ich wollte und der musste erst einen Kollegen in einen anderen Raum schicken um überhaupt an meine gewünschten Marken zu kommen. Dafür ist die Post sehr schön.
Innenansicht der Post in Lecce, leider war die Uhr defekt
Ein echter, alter FIAT 500
Zunächst in einem alten Regionalzug nach Brindisi, dann in einem modernen Triebwagen nach Taraanto, dort dann etwas Wartezeit auf den schönen Abschnitt.
Moderner Triebwagen der italienischen Staatsbahn
Bahnhofsgebäude in Taranto
Wie man auf den Bildern sieht hat sich der Regen verzogen, es scheint die Sonne. Nach dem Dauergrau zu Hause eine wohltuende Abwechslung, die Sonnenstrahlen sind viel wärmer auch wenn die Luft natürlich durchaus frisch ist. Am Bahnhof konnte ich dann die Bereitstellung des InterCity nach Reggio di Calabria Centrale verfolgen, der letzte InterCity mit einer Diesellokomotive in Italien! Leider ist die Strecke auf der östlichen Küste der Südspitze von Kalabrien nämlich nicht elektrifiziert.
Der InterCity
Der Zug war zunächst praktisch leer und hat sich auch im Verlauf nur mäßig gefüllt. Der Ausblick aus dem Zug auf der linken Seite wunderschön, leider kann man aus Zügen mit geschlossenen Fenstern halt immer schlecht fotografieren, so dass es bei diesem Bild bleiben soll.
Am Abend dann in Soverato angekommen, dem Startpunkt der Wanderung. Das Hotel war ein Relikt der 80er Jahre, was man auch an der Technik beobachten konnte: die Rechnung wurde etwa noch mit einem Nadeldrucker gedruckt, immerhin wurden Kreditkarten nicht mehr per Abdruck eingelesen sondern kontaktlos.
Angekommen in Soverato
Sonnenuntergang an der Küste: es hat sich also doch gelohnt!
Das Zimmer: schaut schrecklich aus, das Bett ist aber bequem
Jetzt hatte ich aber noch eine wichtige Aufgabe und zwar den Pass besorgen. Steht alles auf der Webseite: man bekommt in diversen Läden, Bars einen Pass für die Wanderung gegen eine Gebühr von 10 € wo man sich an diversen Stellen Stempel holen kann. Ich hatte mich in Soverato für die Buchhandlung entschieden, einfach weil ich davon ausgegangen bin dass man in einer Buchhandlung eher Englisch spricht wie in einer Bar, was dann auch gestimmt hat. Dazu registriert man sich auf der Webseite, damit man die Zahlencodes für Vorhängeschlösser bekommt, die man am dritten Tag braucht.
Spoiler: man bekommt die Zahlencodes nicht per E-Mail sondern man wird per What's App angeschrieben. Eine Eigenheit in Italien, die mir auch bei der Buchung von BnBs aufgefallen ist. Sobald die die Handynummer haben schreiben sie einen gerne per What's App an. Da ich eigentlich diese Apps normalerweise im Urlaub stummschalte habe ich es erst gar nicht mitbekommen.
Freitag: Wanderung von Soverato nach San Vito sullo Ionio
Vorweg: mit dem Wetter hatte ich Glück. Drei Tage blauer Himmel stehen an. Zunächst decke ich mich in einem Supermarkt mit Proviant ein. Man war dort sehr streng, ich durchte nicht mit Rucksac rein sondern musste ihn auf einem Regal ablegen. Das Regal war aber bewacht, insofern hatte ich ein Problem damit.
Aber nun los bzw. ein kleines Stück zurück zum Startpunkt der Wanderung an die Küste. Die Wanderung ist recht gut beschildert und markiert, man findet den Weg auch ohne GPS.
Los geht's
Nochmal die Küste, schaut aber wärmer aus als es ist, zum Baden zu kalt
Nochmal so ein Triebwagen
Am Anfang ist der Wegverlauf sehr verwirrend, da es einen etwas überfluteten Abschnitt gibt wo keine wirkliche Umleitung beschildert ist. Ich finde dann aber trotzdem über das Smartphone einen Weg, sind aber um die 2 km Umweg. Das war dann aber das einzige Problem auf der Route, ansonsten alles bestens.
Zunächst laufe ich auf einer sehr wenig befahrenen Straße den Berg hoch. Der Blick nach unten ist natürlich spannender.
Nach oben
Blick nach Soverato
Irgendwann dann eine Gruppe von Ziegen, begleitet von Hunden, begleitet von einem Auto. Hunde sind ein Problem auf der Wanderung: gelegentlich Schafherden mit Hunden aber ohne Menschen. Bin da leider etwas ängstlich, passiert ist aber natürlich zum Glück nichts.
Ziegen
Solch excellente Schilder begegnen einem immer wieder
Wie das halt so ist auf einer Wanderung durch das Niemandsland: es passiert wenig worüber man schreiben könnte. Man läuft so dahin, genießt die Aussicht, das Wetter, ist auch in Gedanken zu oft woanders, aber außer Bilder gibt es wenig Stoff zum Schreiben.
Manchmal sind die Wege auch schmäler
Wanderstöcke hatte ich im übrigen keine dabei. Kann man machen wenn man die Gelenke schonen möchte, aber rein für die Balance beim Bergabgehen (wofür ich sie normalerweise verwende), braucht man keine.
Kurz vor Petrizzi
Kakteen sieht man auch überall
Ein cycletux
Nun die erste Ortschaft auf dem Weg, Petrizzi. Hier wäre die erste Etappe zu Ende, allerdings hatte ich hier keine Unterkunft gefunden. Somit hatte ich die erste Etappe etwas verlängert, was aber kein Problem ist: es ist erst 13:30 Uhr. Was dann auch heißt dass sämtliche Stellen geschlossen haben, wo ich mir den ersten Stempel hätte holen können. Muss dann leider ausfallen.
Sehr angenehm in Italien: öffentliche Brunnen mit Trinkwasser
Ortskern von Petrizzi
Wegweiser: ich bin noch richtig!
Mehr gibt es nicht zu entdecken, also weiter des Weges.
Leider ist das Foto nichts geworden wegen der Spiegelung, es dürfte sich aber um einen Überrest der 1969 stillgelegten Bahnstrecke Soverato–Chiaravalle Centrale handeln. Falls man im übrigen abbrechen möchte oder muss: bis auf Sonntag existiert hier in den Ortschaften eine Busverbindung zweimal täglich. Die Fahrpläne gibt es hier als Excel-Tabelle. Leider hat Italien keine zentrale Fahrplanauskunft wie bahn.de in Deutschland, am ehesten findet man noch über rome2rio.com geeignete Verbindungen.
Ruine am Wegrand
Angekommen in San Vito sullo Ionio, einem Dorf mit 1629 Einwohnern. Dort soll sich meine Unterkunft befinden. Erstmal ein wenig umsehen, ich ahne nämlich schon dass es kompliziert wird.
Rathaus
Fluss
Kirche
Die Unterkunft
Nun gut, es soll kompliziert werden. Die Unterkunft hatte ich per Mail gebucht und seitdem nichts mehr gehört. Es war keiner da. Am Telefon meldet sich jemand der kein Englisch spricht und auch irgendwie nichts organisieren kann. Meine paar Brocken Italienisch scheinen ihn nicht zu beeindrucken, er redet in einer Tour. Mehrmals probiert. So komme ich nicht weiter.
Nun gehe ich in die Bar des Ortes, in der Hoffnung dass mir jemand weiterhelfen kann. Die junge Dame zwar nicht aber ein Gast, der dann wiederum jemand anders, der mir dann wiederum weiterhilft. Wenn man auf eines vertrauen kann dann auf die Hilfsbereitschaft der Italiener. Irgendwie geht es ja doch immer.
Letztlich stellt sich heraus dass der Besitzer der Unterkunft wohl doch da war (ich hatte mehrfach geklingelt!). Der Checkin gestaltet sich trotz Übersetzungs-App maximal umständlich. Der Besitzer verwechselt „kein Italienisch“ mit „schwerhörig“ und redet einfach lauter. Hilft mir aber auch nicht weiter. Statt bei der Bezahlung einfach einen Zettel zu nehmen und mir den Betrag hinzuschreiben oder einfach die Zahlenwörter zu zerlegen, also statt „dreißig“ dann „drei null“ zu sagen (soviel Italienisch kann ich), wiederholt er einfach nur die Zahlen. Statt mir auf die 30 € einfach die 5 € rauszugeben sagt er einfach immer dieses Wort für „dreißig“. Sowas hab ich in meinem Leben wirklich noch nicht erlebt.
Immerhin günstig, da kommt dann aber auch der Pferdefuß: schreckliche Matratze und vor allem unbeheizt. Dicke, alte Mauern, es ist einfach saukalt am Abend und in der Nacht. Ich hole mir vom anderen Bett (es ist ein Vierbettzimmer) eine zweite Decke und kann dann eigentlich ganz gut schlafen letztlich.
Das Zimmer
Naja, shit happens, der Ort ist jedenfalls schön und die Umgebung sowieso.
Samstag: San Vito sullo Ionio nach Monterosso Calabro
Für die Umstände habe ich ganz gut geschlafen eigentlich. Der Tag startet wieder sonnig. Der Sonnenaufgang relativ früh, der Untergang aber auch relativ früh. Im Kopf hat man die Landkarte so dass es „gerade runter“ geht bis Kalabrien, tatsächlich ist das aber ungefähr die geographische Höhe von Wien, also schon deutlich weiter im Osten.
Der Weg heute ist relativ belanglos: es geht einen Waldweg hoch und wieder runter. Gestern war tatsächlich spannender. Die Landschaft unterscheidet sich gar nicht so sehr von Mittelfranken irgendwie, die Vegetation natürlich schon etwas.
Wasserstelle im Wald
Den höchsten Punkt hätten wir dann auch überschritten:
Passo Napoli
Ein Felsen, fast wie in der Fränkischen Schweiz
Ich mag die Bäume ohne Laub
Der Wald ist zu Ende
Blick auf den See und die andere Seite der Küste
Und jetzt noch die Straße runter
Blick auf Monterosso Calabro
Das Drama von gestern sollte sich in veränderter Form wiederholen. Es war kurz vor 16 Uhr, ich hatte eine Unterkunft über AirBnB gebucht und dafür sogar 75,92 € bezahlt. Im Verhältnis zu den anderen Zimmern recht teuer. Leider war die Anschrift in AirBnB nicht angegeben und in Google falsch. Die Dame konnte am Telefon kaum Englisch, mir gelang es dann aber mit dem Foto und Passanten das Gebäude zu finden.
Gebäude der Pension von außen („Uhrturm“)
Zimmer von innen
Es sollte sich dann aber als recht schön herausstellen. Die Dame war nett, die Unterkunft sehr schön, großes Zimmer mit Bad, Heizung, mir wurde sofort Kaffee angeboten. Ich traf auch auf zwei Italiener aus Rom, die die Wanderung ebenfalls gingen. Es waren eigentlich die einzigen Wanderer die ich traf. März scheint wohl doch recht unüblich zu sein obwohl das Wetter gut gepasst hat.
Obwohl es heute nur 20 km waren bei moderaten 700 Höhenmetern war ich doch recht müde. Es war halt Winter, ich war in den letzten Monaten wenig unterwegs und schlecht trainiert. Zum Glück aber kein Muskelkater. Den Abend nutzte ich noch, um mir den Ort etwas anzusehen und zum Essen.
Tatsächlich ist Essen in Italien für mich ein Problem. Alleine in ein Restaurant gehe ich ohnehin nicht so gerne, aber, aber das größere Problem sind eigentlich die Zeiten. Vor 20 Uhr kann man das Abendessen vergessen, eher so 20:30 bis 21 Uhr, und das ist mir einfach viel zu spät. Insofern begnüge ich mich auf dem Land mit Einkäufen im Supermarkt. In Städten ist es dann ja weniger schwierig, zumal es da auch Pizza zum Mitnehmen gibt.
Ganz im Gegensatz dazu mag ich den Rhytmus auf Berghütten im deutschsprachigen Raum: Abendessen 18 Uhr, 22 Uhr Hüttenruhe, Frühstück um 7 Uhr. Genau mein Rhythmus!
Kirche gegenüber des Uhrenturms
Sehr enge Gassen
Irgendein wichtiger Mensch
Hier kauft man gerne!
Wundervoller Sonnenuntergang um 18:15 Uhr (noch vor der Zeitumstellung)
Sonntag: Monterosso Calabro an die Küste
Seltsamerweise hab ich in diesem bequemen schönen Zimmer schlechter geschlafen als im kalten unbequemen. Man muss nicht alles verstehen. Nach einem durchaus guten Frühstück (Italien ist diesbezüglich ja immer sehr schwierig) führt der Wanderweg erstmal bergab aus dem Dorf raus.
Man merkt an den Schleierwolken, dass das Wetter den nächsten Tag schlechter wird. Jetzt am See unten gibt's zwei Abschnitte, die man nur begehen kann, wenn man das Schloss öffnen kann. Am ersten Schloss scheitere ich und gehe einen riesigen Umweg über die Straße. Erst beim zweiten Schloss bemerke ich dann, was der Fehler gewesen war: es gibt zwei Schlösser an dieser Kette: das eine ist ein Schloss mit Schlüssel, und nur das hatte ich gesehen. Auf der anderen Seite dann aber das Zahlenschloss mit dem Code, den ich per What's App erhalten hatte. Lesson learned.
Der See
Wald in diesem Naturschutzgebiet am See, wo man nur mit Code hinein darf
Schließlich noch einmal den Berg hoch und runter, dann bin ich an der Küste.
Blick zurück
Das Meer ist bereits sichtbar
Noch besser
Unfair wenn man die ganze Zeit denkt, dass man „fast da“ ist, aber noch ein paar Kilometer vor sich hat.
Pizzo von oben
Rein nach Pizzo
Piazza della Repubblica in Pizzo
In Pizzo, einer Ortschaft mit knapp 9000 Einwohnern, kann man sich an der Burg mit dem gestempelten Pass jetzt die Urkunde abholen:
Die Unterkunft hatte ich auf booking.com gebucht. Es hängt etwas mit der Nebensaison zusammen: es gibt Unterkünfte in Hülle und Fülle. Weil wenig los ist, ist keiner anwesend. Stattdessen bekommt man Instruktionen, bestenfalls per Booking, teilweise auch mit What's App. Wo der Schlüssel ist, welcher Zahlencode etc. Teilweise etwas umständlich und anonym, allerdings halt auch praktisch weil man letztlich anreisen kann wann man will. Meistens gibt's auch in irgendeiner Form ein Frühstück das man sich selbst zubereiten kann.
Bett ganz in rot
Küche wiederum ganz IKEA-style nordisch, gefällt mir aber sehr gut!
Zum Schluss runter ans Meer. Dort treffe ich dann zufällig die beiden Herren aus der letzten Unterkunft. Man sieht sich eben doch zweimal im Leben.
Kurz noch zum Bahnhof gelaufen, um zu sehen wo ich morgen weg muss
Schön es geschafft zu haben, allerdings steht noch die Rückreise bevor. Finde ich irgendwie fast anstrengender als die Wanderung.
Montag: Die Heimreise beginnt
Ja, auch bei der Heimreise hab ich mich etwas verplant. Wollte heute nach Salerno und dann am nächsten Tag in einem Rutsch zurück. Der Zug heute geht erst gegen Mittag, daher noch etwas Zeit, mir Pizzo anzuschauen. Aktuell ist ja wenig los, ich denke im Sommer ist hier alles mit Touristen gefüllt. Der Ort liegt am Hang wie man auf den Bildern schon erkennen konnte.
Ich hab mittlerweile aufgehört, zu versuchen, mir die Namen der Kirchen zu merken oder im Nachhinein zu recherchieren. Kann sich eh keiner merken. Stattdessen versuche ich einfach die Stadt als Ganzes, die Architektur, die Menschen aber auch kleine Details auf mich wirken zu lassen.
Ein Detail, das mir aufgefallen sind, sind die vielen terrestrischen Antennen auf Dächern, die man hier sieht. In Deutschland ist ja alles zugunsten von Satellitenantennen verschwunden, scheint hier nicht der Fall zu sein.
Wie man auf den Bildern auch sieht: es ist bewölkt und langsam zieht Regen an. Das Zeitfenster für die Wanderung war daher perfekt.
Der Bahnhof in Pizzo ist leider sehr weit ab vom Schuss und knapp 2 km vom Ort entfernt. Ein Teil der Erklärung ist die Hanglage und der Verlauf der Strecke innerhalb des Ortes, etwas weiter vorne wäre aber eigentlich schon möglich gewesen. Der Fahrplan ist auch eher übersichtlich. An der Küste existiert neben dieser Regionalstrecke noch die Strecke für den Fernverkehr, wie man hier auf der Karte erkennen kann:
Angekommen in Lamezia Terme Centrale, dem Umstiegsbahnhof auf den Zug nach Salerno. Dort habe ich etwas Aufenthalt. Leider zu wenig um in den Ort zu fahren (der sich einige Kilometer von diesem Bahnhof weiter innen befindet). Der Bahnhof ist ein reiner Umstiegsbahnhof und Zubringer zum nahegelegenen Flughafen (wo man dann aber auch wieder einen Bus braucht).
Der Zug, der mich hierher brachte
Dementsprechend trostlos und hässlich ist die Gegend auch während Lamezia Terme von weitem sehr schön aussieht, vor allem die Lage im Mittelgebirge. Am Bahnhof findet man hier neben einer Bushaltestelle, wo neben Flixbusse eben die Zubringer zum Flughafen stehen, auch noch ein paar Hotels für Leute, die direkt am Flughafen übernachten um möglichst früh loszukommen oder spät angekommen sind.
Das Bahnhofsgebäude
Die Umgebung
Die Fahrt nach Salerno verbringe ich dieses Mal in einem .italo, einem Hochgeschwindigkeitszug eines privaten italienischen Anbieters. Im Gegensatz zu Flixbus fährt man hier nicht mit „altem Schrott“ durch die Gegend sondern mit modernen Hochgeschwindigkeitszügen, die ebenso wie die Hochgeschwindigkeitszüge der italienischen Staatsbahn Trenitalia von Alstom gefertigt wurden.
Leider sind auch hier die Sitze innen aus Leder (oder Kunstleder), so ein italienisches Ding. Ich mag Leder überhaupt nicht gerne, man rutscht irgendwie ständig. Außerdem wirken Teppich und Textilsitze im Gegensatz zu Kunstoffboden und Ledersitzen viel mehr schalldämpfend.
Innenansicht eines .italo in der 2. Klasse
Der Zug außen dann in Salerno
Leider haben italienische Schnellfahrstrecken sehr viele Tunnel, was zu ständigen Druckunterschieden führt, gerade bei den hohen Geschwindigkeiten. Die Fahrzeuge sind offenbar auch ziemlich schlecht dafür ausgerüstet. Ich habe mir dann mal die Mühe gemacht und mit der excellenten PhyPhox App, die sehr viele Sensoren des Smartphones direkt für physikalische Experimente zugänglich macht, das Ganze zu messen. Leider habe ich die Diagramme gelöscht. Jedenfalls ergibt sich im Vergleich zum ICE4 zwischen München und Nürnberg ein sehr viel schnellerer Druckabfall bzw. -ansieg. Es macht den Eindruck dass die italienischen Fahrzeuge den Druckunterschied quasi ungefiltert an die Passagiere weitergeben während die ICE4 besser druckertüchtigt sind und den Druckabfall stark verlangsamen. Dazu muss man dann allerdings auch erwähnen dass mir die ICE4 diesbegzüglich immer schon als sehr positiv aufgefallen sind, ältere Fahrzeuge (gerade auch die alten IC-Wagen des alten München-Nürnberg-Express) sind da schlechter. Außerdem hat man in Deutschland keine stundenlangen Fahrten auf Schnellfahrstrecken mit ständigen Tunneln.
Das Vermessen der Druckunterschiede macht sie zwar nicht angenehmer, allerdings weiß ich jetzt immerhin dass meine Organe richtig liegen und es ist auch ein netter Zeitvertreib gewesen.
Mein Zimmer liegt direkt am Bahnhof, es soll morgen früh losgehen. Leider ist hier weniger die Druck- sondern die Schalldämmung das Problem: selbst mit geschlossenem Fenster hört man die Eisenbahngeräusche und sogar die Ansagen. Checkin wieder kontaktlos über What's App. Irgendwie schon sehr anonym alles, aber Hotels sind mir halt im Vergleich dann einfach zu teuer.
Leider wird es langsam dunkel, trotzdem reicht die Zeit noch für einen Stadtrundgang in Salerno, der knapp 130000 Einwohner großen Hauptstadt der Provinz Kampanien.
Das Zimmer
Piazza della Concordia
Der Hafen
Blick auf die Stadt und die Burg
Für die Burg reicht es natürlich zeitlich nicht mehr und von der Innenstadt ergeben sich auch keine schönen Fotos bei Dunkelheit. Die Stadt wäre definiv einen Zwischenstopp von 1-2 Tagen wert gewesen! Aber es hilft nichts.
Pizzo ab 12:58 R 5476
Lamezia Terme Centrale an 13:23
Lamezia Terme Centrale ab 14:52 italo 8158
Salerno an 17:19
Dienstag: über die Alpen
Eigentlich wollte ich ja komplett nach Hause heute, hab mich dann aber spontan für eine Zwischenübernachtung in Innsbruck entschieden. Das Ticket war dann zwar schon gebucht, aber der Preis von 40 € ab Padova geht auch bis Innsbruck noch in Ordnung.
Salerno ab 07:13 Frecciarossa 9414
Padova an 13:04
Padova ab 14:03 EC 82
Innsbruck Hbf an 18:36
Dieses Mal hatte ich die Trenitalia gebucht, in der ersten Klasse für 40 €. Schnäppchen! Leider halt wieder alles Leder, einen 4er Sitz, der zwar irgendwie elektrisch verstellbar aber doch wegen dem Leder nicht wirklich bequem ist, dazu die ganzen Tunnel. Kann mich an keine Zugfahrt erinnern die ich als so unangenehm empfunden habe wie diese lange Fahrt. Ich war daher froh, als ich in Padova war und durchatmen konnte.
Der Ausblick aus dem Fenster war zumindest in der Toskana durchaus nett:
Padova fühlt sich dann schon viel vertrauter an. Norditalien und Süditalien trennen halt irgendwie Welten. Insgesamt mag ich zwar Italien, einige Dinge sind mir aber zu laut und hektisch, vor allem eben im Süden. Südtirol/Trentino oder das Tessin sind für mich die richtige Mischung aus beidem.
Haupthalle des Bahnhofs in Padova
Burg in Padova
Der vertraute Brenner-EC
Angekommen in Innsbruck. Ich bin froh, die Zwischenübernachtung gewählt zu haben. Es reicht einfach für heute. Die Zugfahrt war bei weitem anstrengender als die Wanderung. Vielleicht sollte ich doch mal Noise-Cancelling-Kopfhörer probieren. Gegen die Druckunterschiede hilft das aber auch nicht. Alleine deshalb fand ich die Fahrt mit dem EuroCity über die Alpen eine Erholung.
Innsbruck Hbf
Das Zimmer
Mittwoch: jetzt ganz nach Hause
Tja, am Morgen genieße ich noch kurz den Ausblick in Innsbruck und fahre mit der Straßenbahn zum Hauptbahnhof
Innsbruck Hbf ab 10:40 EC 286
München Hbf an 12:27
München Hbf ab 12:42 ICE 506
Nürnberg Hbf ab 13:49
Fazit
Tja, was soll ich sagen: tolle Wanderung aber die Zugfahrt war strapaziös. Ich würde es rückblickend daher anders gestalten: kein Nachtzug, die Fahrt in Norditalien splitten und ein paar Tage mehr unten verbringen damit es sich lohnt. Bis an die Südspitze fahren, ein, zwei Tage an der Küste verbringen und entspannen, irgendwie so. Auf jeden Fall der richtige Ort, um dem mitteleuropäischen Winter zu entfliehen. Mitte März hat sich angefühlt wie Ende April.
Und ganz zum Schluss: die Stempelkarten.