Über meine erste missglückte Trekkingtour dieses Jahres habe ich keinen Blogeintrag geschrieben, weil sie nach dem ersten Tag auf der schwedischen Berghütte wegen Krankheit abgebrochen werden musste. Letztlich war das aber auch der Grund, warum ich noch Urlaub übrig hatte und unbedingt nach der schönen Rotwand-Tour nochmal eine Mehrtageswanderung in diesem Jahr machen wollte.
Bei der Planung war ich eher kurzfristig dran. Ich hatte was gesucht was mit Höhenangst machbar ist, trotzdem in den Alpen, Übernachtung auf Hütten, Anreise mit dem Zug und am besten noch online buchbar. Beim bekannten Meraner Höhenweg fehlten mir die Hütten und ich hatte die Befürchtung dass ich kurzfristig keine Zimmer mehr finde.
So stieß ich auf den Vier-Quellen-Weg (offizielle Webseite), der mir sofort zugesagt hat. Schweiz ist eh immer eine Reise wert, man kommt überalle mit Öffentlichen hin – wenn nicht mit dem Zug dann mit dem PostAuto.
Als Vorbereitung endlich noch eine Mitgliedschaft beim DAV abgeschlossen, um die günstigen Hüttenpreise zu bekommen. Und ich hab mir mal ordentliche Bergstiefel gekauft. Dumm war natürlich dass ich vorher keine Zeit hatte, sie „einzulaufen“, daher hatte ich dann die normale Wanderschuhe noch dabei. Praktisch zum Zugfahren und Stadt angucken, aber dafür hätten es leichtere Sneakers auch getan.
Tja, und warum aus den vier Quellen dann doch nur zwei wurden, das erfahrt ihr beim Lesen. Man kann auf der Karte erahnen dass da noch ein Zwischenstück vom Gotthardpass nach Oberwald unten fehlt damit die Wanderung komplett geworden wäre.
Spoiler: es war trotzdem toll und ich kann die Wanderung wirklich sehr empfehlen!
Samstag: Zugfahren
Tja, die Schweiz ist nicht allzu weit von Nürnberg weg, trotzdem geht eigentlich immer ein ganzer Tag ins Land wenn man nicht nur an den Bodensee will sondern „weiter rein“. Nachdem die Gäubahn (Bahnstrecke Stuttgart-Singen) immer noch wegen Bauarbeiten gesperrt war musste ich über München fahren. Was vor allem den Nachteil hat dass man mehr bezahlt da einfach weniger günstige Sparpreise verfügbar sind als über Stuttgart.
Ich hab mich für die Anreise nach Disentis entschieden, aus zwei Gründen: zum einen gab's dort ein günstiges Hostel, zum anderen kann man über die DB keine Sparpreise buchen bei denen in der Schweiz die Matterhorn-Gotthard-Bahn beteiligt ist. Die Rhätische Bahn geht aber zum Glück und Disentis ist der Endpunkt der Rhätischen Bahn auf der Rheinstrecke.
Am Morgen wieder Chaos, der ICE hatte Verspätung wodurch ich eher an den Bahnhof gefahren bin um den vorhergehenden ICE zu erwischen. Der EuroCity von München nach Zürich fährt nur im Zweistundentakt, und ich wollte den nicht verpassen, weil's auch mit dem Checkin schwierig geworden wäre.
Immerhin, war dann in München pünktlich bzw. zu früh, der EC stand aber schon bereit und ich konnte meine Premiere im ETR 610 feiern. Fand den Zug ganz nett, speziell von der Laufruhe, innen finde ich die ICEs dann aber noch einen Tick eleganter, vor allem wegen des Teppichbodens. In Bregenz dann endlich maskenfrei unterwegs. Darauf hatte ich mich schon die ganze Zeit gefreut.
ETR 610 in München Hbf
Angekommen in St. Margrethen, einem kleinen Dorf das eigentlich nur wegen des Grenzbahnhofs eine gewisse Bedeutung hat. Dort ist auch Stadler Rail ansässig, eigentlich der größte Hersteller von Zügen und anderen Schienenfahrzeugen in der Schweiz. Entlang des Rheins führt die Strecke nach Chur, der Hauptstadt des Kanton Graubünden und von dort steige ich sofort in die Rhätische Bahn nach Distentis, auf Rätoromanisch Mustér genannt. Die Schilder sind dort zweisprachig wobei Romanisch tatsächlich die Hauptsprache ist. Die Aussicht auf der Fahrt ist wieder mal herrlich, die Wolken verschwinden langsam, es ist aber sehr kalt.
Rheinschlucht
Fenster zum Öffnen der Rhätischen Bahn
Pünktlich gegen 18:30 Uhr erreiche ich Distentis. Erstmal den Berg hochlaufen und dieses Hostel suchen.
Disentis
Hotelanlage
Mehrbettzimmer war ganz okay für den Preis. Keine Stockbetten sondern so eine zweite Ebene mit zwei Betten oben. Zwei andere Herren etwa in meinem Alter. Was mich etwas genervt hat dass die erst nach Mitternacht aufgetaucht sind. Finde das auf Berghütten ganz angenehm: Hüttenruhe um 22 Uhr. Naja, dafür war's mit 45 CHF günstig, das Frühstück hätte aber 20 CHF gekostet, darauf hab ich dann verzichtet. Ein kleiner Dorfladen (Volg) hatte zum Glück auch am Sonntag geöffnet.
Sonntag: der erste halbe Abschnitt
Ich hab's mir bequem gemacht und die erste Etappe aufgeteilt. Einfach weil in der Mitte eine Hütte lag und ich mir dachte: zum Warmwerden mit den neuen Schuhen, warum nicht. Aus dem Grund hatte ich aber auch massig Zeit und bin erstmal durch bis Andermatt mit dem Zug gefahren, nur um von dort wieder zurück zu fahren. Neben der Bernia-Strecke ist der Oberalppass eigentlich das Highlight in der Schweiz. Die meisten Züge der Matterhorn-Gotthard-Bahn haben ein Fenster zum Öffnen, auch wenn man den Fenstern das nicht direkt ansieht weil man die Scheibe direkt nach unten versenkt und es keine geteilten Fenster sind wie bei alten Wagen in Deutschland üblich gewesen.
Fotografieren aus dem offenen Fenster
Bei der Hinfahrt ist es noch ziemlich neblig, die Aussicht mäßig. Immer mal wieder aber Lücken im Nebel. Am Ende der bekannte Blick auf Andermatt:
Andermatt
Fallblattanzeige in Andermatt
Das beste an Andermatt ist die Lage im Schnittpunkt zwischen Gotthardpass und Oberalpass bzw. Furkapass. Hier als topographische Karte.
Andermatt
In Andermatt konnte ich etwas Reiseproviant im Supermarkt am Bahnhof einkaufen, von dort also dann mit dem nächsten Zug zum Oberalppass. Der Nebel ist verschwunden, es steht ein herrlicher Herbsttag an.
Blick aus dem Fenster in Richtung Oberalppass
Angekommen gegen Mittag am Oberalppass. Los geht's. Wanderstiefel anziehen, nochmal durchatmen. Die nächsten zwei Nächte werde ich im Gebirge verbringen, bin etwas aufgeregt.
Ein Leuchtturm mitten im Gebirge
Ein Leuchtturm mitten im Gebirge? Hab ich mich verlaufen? Die Erklärung steht auf einer Tafel oder auch auf Wikipedia: „Der zehn Meter hohe Turm wurde 2010 im Rahmen eines touristischen Marketings in der Nähe der Rheinquelle errichtet und soll als originelle Aktion für die Attraktivität der Ferienregion werben. Er ist eine Nachbildung des ehemaligen Unterfeuers Hoek van Holland (niederländisch Lage licht van Hoek van Holland), das 70 Jahre lang die Mündung des Rheins in die Nordsee bezeichnete und seit 1990 im Maritiem Museum in Rotterdam aufgestellt ist.“ Die Schweizer wieder, kopieren alles. 🙈
Nachdem nun meine Sinne also funktionieren kaufe ich noch eine Apfelschorle im Kiosk und probiere das erste mal meine frisch geladenes Twint-Guthaben aus. Dazu ein kleiner Exkurs in die schweizer Zahlungswelt. Meistens werden dort Kreditkarten genommen, allerdings halt nicht in sehr kleinen Läden, Hofständen oder auch auf manchen Berghütten. Neben Bargeld hat man dann noch die Chance, Twint nutzen zu können. Eine App wo man sich registrieren muss und wo man mit schweizer Bankkonto direkt zahlen kann. Immerhin hat man als Ausländer eine Möglichkeit, wenn man sich vorab registriert (was zwei Tage dauert, da der Personalausweis geprüft wird), eine Prepaid-Version herunterzuladen und diese aufzuladen. Zum Aufladen kauft man bei coop-Supermärkten eine Guthabenkarte, ähnlich wie bei Prepaid-Mobiltelefonen. Diese kann man dann direkt laden.
Man kann das Guthaben allerdings nicht mehr auf ein ausländisches Konto zurücküberweisen. Das geht nur bei schweizer Konten, man kann Bargeld bei kkiosk abheben oder halt einfach einkaufen. Twint wird über einen QR-Code in der Regel überall in der Schweiz akzeptiert, wo auch Kreditkarten gehen. Da der Schweizer Franken aber auch nicht die schlechteste Geldanlage ist, kann man einfach warten bis man wieder in die Schweiz kommt.
Die Wanderung ist gut markiert, es handelt sich um den Weg 49 im SchweizMobil-System. Schilder gibt's aber natürlich selten, meistens folgt man der üblichen rot-weiß-roten-Markierung an Felsen. Wir befinden uns ja am Oberalppass schon auf über 2000 m, sind also über der Baumgrenze. Man hört noch die Straße, der Pass schlängelt sich den Berg hinauf oder hinab.
Der Oberalppass
Der Weg ist durchweg gut zu gehen, hier wird es etwas felsiger wo man dann seine Stöcke gut gebrauchen kann, vor allem wenn's dann dahinter etwas runter geht. Es ist aber auch kein Spazierweg und „familienfreundlich“ ist auch immer relativ zu sehen. Wenn man mit Kindern noch nie in den Bergen war würde ich damit jetzt nicht gleich anfangen.
Felsigerer Abschnitt
Und nun sind wir auch schon an der ersten Quelle, der Rheinquelle, dem Tomasee. Zeit, hinter den See zu gehen und durchzuatmen. Welch herrlicher Ort. Während der Wanderweg bis dahin noch recht überlaufen ist (es war Sonntag), gehen viele offensichtlich nur zur Rheinquelle und wieder zurück oder steigen hoch zur Badushütte. Der Vier-Quellen-Weg geht allerdings in die andere Richtung zur Maighelshütte, es wird wesentlich ruhiger und sehr angenehm.
Ein klarer Herbsttag, einfach wundervoll die vielen Bilder.
Tomasee
Engstelle
Der Weg wird breiter, und man kann die Hütte auch schon erspähen:
Kleinere Seen machen das Landschaftsbild perfekt. Mücken gibt's um diese Zeit auch keine mehr. Um 16:30 Uhr erreiche ich die Hütte. Nicht viel los, die Nachmittagsgäste sind schon weg, die Abendgäste noch nicht da. Neben dem Wanderweg gibt's auch einen befahrbaren Weg direkt im Tal, den man nutzen kann um die Wanderung zu verkürzen, was ich aber nicht empfehlen würde: man verpasst die Rheinquelle. Als Rückweg für nen Tagesausflug aber eine gute Wahl.
Ich verfüge über sehr wenig Hüttenerfahrung und habe eben dieses Jahr im Rotwandhaus und Taubensteinhaus übernachtet. Mir fehlt der Vergleich. Jedenfalls ist hier einiges anders. Speisen und Getränke werden auf die Rechnung geschrieben, die man dann am Abend vor dem Schlafen bezahlt. Entweder bar oder mit Twint. Die Buchung erfolgt direkt als Halbpension (man kann auch nur übernachten, muss dann aber einen kleinen Zuschlag als Selbstversorger zahlen).
Es gibt keine Mehrbettzimmer sondern nur Lager, also größere Zimmer. Da es aber sehr leer ist (dürfte um die 15 Schlafgäste sein) bin ich nur mit einer Familie mit insgesamt 6 Personen im Zimmer. Was identisch ist: es werden Badelatschen bereitgestellt, man darf also mit Bergschuhen nicht in die Gasträume. Und man bringt einen Hüttelschlafsack mit.
Auf dieser Hütte hat man leider kein warmes Wasser. Die Katzenwäsche mit kaltem Wasser bleibt spärlich. Vor dem Abendessen mache ich nochmal einen kleinen Spaziergang. Die Sonne verschwindet hinter dem Berg, ohne direkte Sonneneinstrahlung ist es bereits recht kalt und ich ziehe meinen Fleecepullover an.
Die Sonne verschwindet (und ich entschuldige mich für den Blaustich)
Sonnenuntergang
Das Abendessen oder – Nachtessen, wie es in der Schweiz heißt – gibt's um 18:30 Uhr. Und da ist auch schon der nächste Unterschied. Während es auf den beiden DAV-Hütten eher wie im Restaurant mit Selbstbedienung war, man bestellt aus einer kleinen Auswahl und wird dann gerufen, wenn es fertig ist, gibt es hier genau ein Menü. Wobei man vorher zwischen vegetarischem und fleischaltiger Kost wählen kann. Und man sitzt nicht irgendwo sondern es gibt ein Schild wo die Sitzordnung festgelegt ist.
Für mich als Alleinwandernden hat das vor allem den Vorteil: ich sitze nicht allein im Eck oder muss fragen, ob ich mich wo dazusitzen kann, sondern ich sitze mit anderen Leuten am Tisch. Während ich am Berg sehr gerne allein bin und die Natur genieße und vor allem auch das Tempo der Wanderung bestimmen kann und an schwierigen Stellen ohne Druck mein eigenes Tempo laufen kann, fand ich die Gesellschaft am Abend wiederum sehr angenehm.
Heute sitze ich mit einem jungen und einem mittelalten Paar am Tisch. Lauter Schweizer, die mich zwar fragen ob sie hochdeutsch reden sollen, ich dann aber ablehne weil ich meistens Schweizerdeutsch ganz gut verstehe, bei denen aber eigentlich nur die Hälfte verstehe, aber sei's drum. Durchweg aber sehr angenehme Leute.
Das Essen gibt's mit Suppe, Salat, Hauptgericht und Nachspeise, wobei man beim Hauptgericht noch einen Nachschlag bekommt. Alles sehr lecker. Gegen 21 Uhr zahle ich und verziehe mich langsam in mein Bett und verbringe noch Zeit am Smartphone und mit Lesen bis ich dann nach 22 Uhr schlafe. Zum Glück ist es recht kalt, trotz der vielen Leute heizt sich das Zimmer nachts nicht unangenehm auf.
Betten im „Lager“
Montag: der erste Pass
Ich schlafe gut aber fühle mich irgendwie doch überhaupt nicht fit. Manchmal ist das halt so, teilweise liegt es sicher daran, dass man sich erst akklimatisieren muss. Zum Glück ist die heutige Etappe wegen der Teilung der ersten Etappe recht kurz.
Am Frühstückstisch bekomme ich noch den Tipp hinter der Hütte den Berg hochzugehen. Die junge Frau hat das gleiche Problem wie ich: Höhenangst. Aber es gibt wohl einen Aussichtspunkt zu dem man trotzdem laufen kann.
Blick auf den Lai da Curnera
Heute steht der Maighelspass an. Der Weg ist einfach, man kann sogar mit dem Mountainbike fahren. Damit der Tag nicht ganz so kurz wird habe ich ihn noch mit einem Abstecher zu seinem einsamen Bergsee erweitert, der kommt aber erst nach dem Pass. Es geht langsam den Berg hoch.
Oben angelangt
Am Scheitelpunkt des Passes hat man dan den Blick auf einen herrlichen See, ich mache erstmal etwas Mittagspause. Da ich mich nicht so fit fühle, ruhe ich mich etwas aus mit einem kleinen Schläfchen, für den Rest des Tages geht's dann deutlich besser.
Der See
Blick auf die andere Seite
Der Abstecher zu dem Bergsee war nett zu wandern, der See war aber kleiner als gedacht. Das Haus unbewohnt, allerdings kein Mensch weit und breit. Eine herrliche Ruhe mitten in den Bergen.
Bergsee
Viele Seen beginnen hier mit „Lai“, was Rätoromanisch einfach „See“ heißt: kann man sich von „Lago“ herleiten. Nun wieder zurück auf den Hauptweg und runter ins Tal. Während ich seit dem Oberalpass kein größeres Tier mehr gesehen habe, begegne ich nun wieder Kühen:
Muh
Wegmarkierung
Gegen 16 Uhr erreiche ich die Vermigelhütte und stärke mich erstmal mit einer Rivella, einem schweizer Softdrink. Auf der Hütte ist weit mehr los als bei der vorherigen, sie ist quasi ausgebucht. Dementsprechend enger geht's auch in den Schlaflagern zu, ich habe aber wenigstens das Glück außen liegen zu dürfen, also nicht zwischen zwei anderen Personen. Hier hat man sogar heißes Wasser, gegen 5 CHF eine warme Dusche.
Esel vor der Berghütte
Das Procedere ist in etwa gleich: gegen 18:30 Uhr Nachtessen, feste Tischordnung. Eine Dreiergruppe von jungen Damen aus Deutschland, einem älteren Paar aus der Schweiz und zwei (getrennten) jungen Männern aus der Schweiz und aus Deutschland. Die Tischordnung hat den Vorteil dass Hochdeutsch gesprochen wird. Das Essen ist heute köstlich: selbstgemachte Spätzle, Blaukraut, Maronen, Fleisch. Vorher Suppe und hinterher eine Nachspeise, noch dazu mit Nachschlag. Hab selten so gut gegessen.
Kostenpunkt alles in allem, also mit Essen, Getränke, Dusche und Lunchpaket waren 90 CHF als DAV-Mitglied. Bei den Alpenvereinsmitgliedschaften gilt das sogenannte Gegenrecht: egal ob man beim deutschen, österreichischen, französischen, schweizerischen, slowenischen, italienischen oder südtirolischem Alpenverein Mitglied ist, man hat auf den jeweiligen Hütten der anderen Vereine die gleichen Rechte, also die gleichen Rabatte.
Die Betreiber der Hütte waren auch wirklich sehr freundlich. Es gab übrigens bestes WLAN, ich hab mir erlaubt das Update auf iOS 16 einzuspielen und gleich die neuen Funktionen zu testen. Irgendwie bleibt man halt doch ein IT-Nerd, auch in den Alpen. 🤓
Dienstag: Höhepunkt
Heute ist das Wetter nochmal schön, die Vorhersage für die zweite Wochenhälfte ist aber sehr verhalten. Ich bin am Überlegen, die Tour abzubrechen, aber vertage die Entscheidung erstmal bis zum Gotthard. Heute steht nämlich der höchste Abschnitt bevor, der Giübin.
Sonnenaufgang
Vermigelhütte
Es geht immer weiter hinter ins Tal bis man den Pass und den Berg dann recht gut erkennen kann. Von unten schaut es allerdings wilder aus als es ist, obwohl es oben felsig wird kann man den Weg doch recht gut gehen. Abschüssige Stellen gibt es keine. Ich mache nur eine kürzere Pause, weil ich den Anstieg hinter mir haben will.
Blick zurück
Letzte Etappe
Oben wird man durch eine phänomenale Aussicht belohnt. Leider wird es immer trüber, dadurch sind die Fotos nicht ganz so schön geworden wie am ersten Tag.
Der Abstieg gestaltet sich nun weniger schweißtreibend aber eigentlich sogar anspruchsvoller. Meine Füße tun langsam weh und ich freue mich schon auf das Hotel am Gotthardpass, nach drei Tagen im Mehrbettzimmer mal wieder ein privates Zimmer.
Die Gotthardstraße und der Stausee sind klar erkennbar
Weg über die Staumauer
Der Gotthard
Hotel
Relativ wenig los, das hier ist ja die alte Passstraße, die kaum benutzt wird. Am ehesten noch mit dem Fahrrad. Es gibt ein paar Verkaufsstände, wo ich mir erstmal ein Brötchen und eine Apfelschrole gönne, das Lunchpaket war etwas dürftig. Dann der Checkin, mal das Gepäck loswerden.
Im Hotel checke ich dann nochmal die Wettervorhersage. Hatte mich oben am Berg mit einem Paar aus Würzburg unterhalten, die mich um ein Foto gebeten hatten, und die es durchziehen wollen. Letztlich hab ich mich dann für den Abbruch entschieden, mir war es einfach zu unsicher über glitische Bergwege zu gehen. Stattdessen musste eine Alternative her. Die Pension in Oberwald konnte ich nicht stornieren. Zunächst habe ich mir eine Wanderung im Tessin ausgedacht, nach einiger Überlegung stand dann aber fest:
- Am Mittwoch nach Bellinzona und Stadt angucken.
- Am Donnerstag die Zugfahrt vorgezogen an den Genfer See mit der coop Tageskarte, die ich eigentlich am Samstag geplant hatte. Dadurch konnte ich letztlich die Pension in Oberwald „wiederverwenden“.
Was danach kommt, wird sich zeigen. In Bellinzona die Jugendherberge gebucht, Privatzimmer mit Frühstück für 69 CHF war okay. Berghütte storniert, was mich dann noch 40 CHF gekostet hat - leider hatte ich im Vorfeld die Bedigungen falsch gelesen. Über Twint bezahlt, sei's drum. Man kann nur zwei Tage vorher kostenlos stornieren, bei schlechtem Wetter nur bei offiziellen Unwetterwarnungen.
Nachdem das alles erledigt war wollte ich noch was essen, im Prinzip war aber nach 18 Uhr alles geschlossen außer das Hotelrestaurant. Shit happens. Wir befinden uns schon im Tessin, dementsprechend italienisch war alles.
Meine Stimmung am Abend war schon etwas wehmütig, eigentlich hatte ich mich auf die ganze Wanderung gefreut. Andererseits war ich auch etwas fertig von den letzten Tagen, insofern hab ich mich auf zwei entspannte Tage gefreut.
Mittwoch: nach Bellinzona
Vom Gotthard gibt es eine Postauto-Verbindung (also ein Bus) nach Airolo, von dort kommt man dann gut mit der Bahn weiter nach Bellinzona, der Hauptstadt des Kanton Tessin.
Der Morgen war in der Tat neblig, später hat's dann geregnet. Insofern war die Entscheidung vermutlich richtig. Am Bus traf ich dann noch ein Paar aus Schweden, das aber in der Schweiz lebt, welches die gleiche Entscheidung getroffen hat und nach Hause gefahren ist.
Denkmal am Gotthard
Häuser am Gotthard
Ich schaue mir noch etwas die Verteidigungsanlagen von außen an. Hätte Lust reinzugehen, aber für ne halbe Stunde lohnt sich der Eintritt nicht. Da muss man sich mal nen halben Tag Zeit nehmen. Und die hab ich heute nicht. Der Postbus bringt mich zuverlässig nach Airolo.
Dort steige ich gleich in den Treno Gottardo ein.
Treno Gottardo
Angekommen in Bellinzona musste ich mir erstmal zwei Lagen meiner Kleidung entfernen, es das deutlich wärmer als im Gebirge. Also T-Shirt-Wetter, aber sehr schwül, der Wetterumschwung ist auch hier spürbar. Gefühlt ist man in Italien nur dass alles teurer und ordentlicher ist.
Bellinzona Bahnhof
Ich gehe erstmal zur Jugendherberge zum Checkin. Man bekommt nämlich über die Kurtaxe ein kostenloses ÖPNV-Ticket und einige Ermäßigungen. Das Ganze Verfahren wird einem per E-Mail erklärt, die man vorher bekommt. Nett gemacht über eine Web-App aber irgendwie auch ziemlich umständlich, ich musste erst explizit nach dem Code fragen. Vermutlich machen es nur die wenigsten. Außerdem bin ich mein Gepäck losgeworden.
Bellinzona ist bekannt durch die drei Burgen:
- Castelgrande liegt direkt in der Stadt
- Castello di Montebello liegt auf einem felsigen Vorsprung östlich der Altstadt
- Castello di Sasso Corbaro auf einem felsigen Vorsprung rund 600 Meter östlich der Altstadt und ist einzige ist sie nicht mit den übrigen Wehranlagen verbunden
Aufgrund der Nähe zur Stadt schaue ich erstmal Castelgrande an:
Castelgrande und der Piazza del Sole
Ausblick auf die beiden anderen Burgen
Ausblick von der Burg ins Tal
Nachdem ich ohnehin kostenlos mit dem Bus fahren konnte, hab ich mich den Berg zum Castello di Sasso Corbaro hochchauffieren lassen. Von dort oben hat man erstmal einen herrlichen Ausblick bis zum Lago Maggiore.
Ausblick vom Berg
Castello di Sasso Corbaro
Blick auf Chiesa di S. Sebastiano
Dann runter zur „dritten“ Burg, die mir am besten gefällt:
Castello di Montebello
Und von hier hat man wiederum den besten Blick auf die „erste“ Burg Castelgrande:
Blick auf Castelgrande
Und dann noch ein paar Eindrücke dieser schönen Innenstadt:
Municipio
Bahnhofstraße
Piazza Indipendenza
Jugendherberge
Die Eintritte hab ich mir gespart, mir hat der Kurzrundgang außen gereicht. Bin nicht so der Museumsgänger, der sich die ganzen Exponate anschaut. Die Geschichte dazu kann man sich meistens auch auf Tafeln oder in Apps lesen. Was anderes sind natürlich Führungen, die sind normalerweise ihr Geld wert, aber das muss man vorher planen.
Hat mir sehr gefallen diese Stadt wo ich vor Jahren mal umgestiegen bin und ganz kurz die Innenstadt zum Einkaufen gesehen habe, mal näher anzusehen.
Donnerstag: schweizer Züge
Am Donnerstag also nun die eigentlich am Samstag geplante Zugfahrt. Durch einen Zufall ergibt sich, dass @niklas_net
den ersten Abschnitt mitkommt, den ich schon letztes Jahr in der Schweiz bei der Anreise getroffen habe. Aber erstmal frühstücken, auschecken und rechtzeitig zum Bahnhof kommen.
Finanziert habe ich mir das Ganze über eine coop-Tageskarte für 49 CHF, die mir @jetztdochschau
freundlicherweise besorgt und im Vorfeld zugeschickt hat. Die gibt es immer mal wieder und man muss sich beim Kauf nicht auf einen Tag festlegen sondern kann sie direkt vor der Fahrt entwerten. Fur 20 CHF mehr reist man sogar in der ersten Klasse.
Der erste Abschnitt geht mit dem Giruno durch den Gotthard-Basistunnel nach Luzern.
Giruno, das Flagschiff der SBB
Vom Giruno bin ich recht angetan. Laufruhig, Teppichboden, angenehme Sitze, nicht so eng wie der ETR 610. Kann es durchaus mit dem ICE aufnehmen, schafft aber natürlich keine 300 km/h. Die Fahrt durch den Tunnel ist unspetakulär. In Luzern geht's dann in den BLS nach Bern durch's Emmental (ja, das mit dem Käse 🧀). Dort trennen sich die Wege von Niklas und mir und von Bern weiter nach Zweisimmen.
Im Emmental
Nach Zweisimmen
Jetzt kommt das eigentliche Highlight des Tages: die Montreux-Berner Oberland-Bahn von Zweisimmen nach Montreux. Eine schöne Dokumentation findet man auf 3sat: Traumhafte Bahnstrecken der Schweiz: Im Goldenpass Belle Époque von Montreux ins Berner Oberland. Für den historischen Wagen passt es zeitlich nicht, aber die Strecke ist auch in „normalen“ Wagen schön.
Ausblick aus dem Fenster
Der Genfer See
Eigentlich macht mir diese Fahrt vor allem Lust, das Ganze mit dem Fahrrad nochmal zu fahren. Man erlebt es einfach nochmal sehr viel intensiver wie wenn man durch das Zugfenster blickt. Anbieten würde sich die Seen-Route (9).
Geplant war eine Fahrt mit der Zahnradbahn nach Rochers de Naye, aber wegen der Wolken macht es keinen Sinn. Dort oben ist einfach Nebel, was ich auf der Webcam leicht prüfen konnte. Als Alternativprogramm hat mir @domkept
eine Fahrt mit der Fähre empfohlen, die ist auch in der Tageskarte inkludiert. Im Gegensatz zu Interrail gilt diese nämlich nicht nur in Zügen sondern in allen öffentlichen Verkehrsmitteln im Geltungsbereich des Generalabonnements, also auch in Bussen, im innerstädtischen ÖPNV und auf vielen Schiffen.
Zahnradbahn
Dann mal runter an den Genfer See.
Montreux
Genfer See
Das Schiff 😍
Ich genieße vor allem auch die frische Luft auf dem Schiff. Selbst ohne Maske finde ich diese wechselnden Luftverhältnisse in den Zügen als anstrengend und bekomme da teilweise leichte Kopfschmerzen.
Blick vom Schiff in Richtung Osten
Tja, und das war's dann auch schon. Einkaufen und zum Zug so dass ich die Pension in Obergesteln noch erreiche.
Zug der MOB, die einen erstaunlich abwechslungsreichen Fuhrpark hat
Es ist schon fast dunkel. Bis Brig fahre ich im Einheitswagen der SBB, dort steige ich am Bahnhofsvorplatz in die Matterhorn-Gotthard-Bahn um. Püntlich um 21:45 bin ich in dere Pension, dort hat man auf mich gewartet. Ein schönes Einzelzimmer, eine sehr nette Wirtin. Hat sich gelohnt das Geld nicht verfallen zu lassen. Am nächsten Tag will ich wieder wandern, wenn es das Wetter zulässt.
Zimmer
Freitag: Rhonequelle
In der Gegend kenne ich mich ganz gut aus, da ich den Grimselpass im Sommer 2020 mit dem Fahrrad gefahren bin. Insofern habe ich kein Problem damit, die Tour bei zweifelhaften Wetterverhältnissen zu starten, da ich weiß dass es ein paar Punkte gibt, wo ich abbrechen kann. Ich spare mir aber die paar Kilometer nach Oberwald und fahre eine Station mit dem Bus der den Stundentakt der Bahn ergänzt.
Kühe queren die Bahn
Bahnhof der Dampfbahn
Der Wanderweg ist am Hang wo man auf der anderen Seite die alte Bahnstrecke und die Straße sieht. Die neue Bahnstrecke verschwindet in Oberwald in den Tunnel. Hinten sehe ich den Zeltplatz, wo ich damals übernachtet habe.
Start des Wanderwegs
Nun beginnt es zu regnen. Kalt, windig, der Weg ist ohnehin recht matschig. Dies ist tatsächlich der schwierigste Teil des Wanderwegs, Teile sind auch als „T3” auf der SAC-Skala markiert. Wenn die Steine nicht wegen des Regens etwas rutschig wären, würde ich aber sagen dass es überhaupt kein Problem ist. Und es geht ja doch ganz gut auch wenn ich vorsichtig bin.
Vom Wanderweg hat man einen ganz guten Blick auf die Dampfbahnstrecke
Manchmal sieht man auch den Zug
Und hier in groß
Angekommen in Gletsch
Nun, Gletsch kannte ich von meiner Radtour. Da die Dampfbahn ja derzeit ist der Bahnhof besetzt. Ich erwartete eigentlich dass auch das Café besetzt ist, leider war es geschlossen. Immerhin der Fahrkartenschalter war offen und der Warteraum zugänglich. Dort traf ich die Frauengruppe von der Berghütte, die ich auch schon auf der Berghütte getroffen habe.
Warteraum der DFB
Eigentlich wollte ich nun abbrechen. Durch die Wolken würde man am Berg ohnehin nichts sehen, also macht es keinen Sinn. Nun lichteten sich aber just in dem Moment die Wolken, was ich mehr oder weniger als Zeichen betrachtet hatte, doch weiterzugehen. Ich sollte es nicht bereuen.
Die Wolken kamen von Norden, wurden also vom Grimselpass reingedrückt wodurch sich irgendwie ein gewisser Schatten ergibt. Jedenfalls war es ab da die ganze Zeit trocken und sogar zumeist sonnig! Ab hier war die Wanderung auch sehr einfach wenn auch durch die vielen Höhenmeter durchaus anstrengend.
Blick zurück auf Gletsch
Bahnhofsgebäude in Gletch
Kirche am Ende
Die Ortschaft Gletsch hat ihren Namen nicht durch Zufall sondern weil in den 1850er Jahren der Rhonegletscher bis hierhin reichte. An der Stelle trennt sich der Grimselpass vom Furkapass und der Straßenpass nimmt auch einen anderen Weg als der Wanderweg, der im wesentlichen eher der Bankstrecke folgt, die dann aber hinten in einem Tunnel endet während der Wanderweg in die andere Richtung kehrt, den Berg hoch, bis man die Passstraße kreuzt.
Blick zurück
Und noch weiter zurück
Zahnstangen der Bahnstrecke
Bahnstrecke verschwindet in den Furkatunnel
Der letzte Abschnitt ist steil und schweißtreibend, am Ende wird's kurz neblig und der Furkapass ist erreicht. Man kreuzt die Straße, und dann geht's nochmal weiter.
Nebel
Der Furkapass
Kurz nach dem Pass lichtet sich der Nebel aber schon wieder, und es wird noch schöner. Ein phänomenaler Abschluss der Wanderung steht bevor.
Ich sehe sogar mal ein Kreuz, habe ich bisher vermisst als jemand, der Gipfelkreuze gewohnt ist:
Nochmal ein Blick auf Wolken und Straße, dann wird's feslig und Beschilderung und GPS passen nicht so ganz zusammen. Ich folge dem GPS. Langsam erspähe ich den Rhonegletscher, aber der Wanderweg geht irgendwie nicht weiter. Ich bekomme etwas die Panik, weil mir die Zeit davonläuft, der Bus fährt gegen 17:30 Uhr und es ist der einzige. Trotzdem, der Ausblick ist phänomenal und ich beruhige mich: notfalls per Anhalter runter, es ist noch lange genug hell. Nicht hetzen, ich will unversehrt ankommen statt zu stolpern.
Rhonegletscher
See
Die Panik ist nicht angebracht gewesen, ich finde den Weg wieder, es geht unten und ich komme 40 Minuten vor Abfahrt des Busses unten am Infocenter an. Das Hotel ist mittlerweile geschlossen. Das Infocenter ist schon geschlossen, öffnet aber morgen natürlich wieder.
Hotel
Am Infocenter treffe ich die Dreiergruppe wieder. Der Postbus kommt pünktlich. Ich fahre nach Hospental, wo ich in der Jugendherberge ein Bett gebucht habe. Ziemlich müde von den vielen Höhenmetern. Der Busfahrer betätigt auf mein Bitten das Dreikalanghorn extra nochmal, und noch öfter. Ich erfahre dass morgen Schnee vorhergesagt ist, der Pass gesperrt wurde.
Die Busse fahren auch nicht zum Gotthard, was eigentlich alle Alternativen zusammenbrechen lässt. Ich hatte die Rückfahrt am Sonntag geplant. Überlegt die Wanderung am Sonntag und Montag abzuschließen, aber nun, wenn's am schönsten ist soll man aufhören. Ich buche die Rückfahrt für 40 Euro am Samstag.
Die Jugenherberge Hospental gehört nicht zum Verband sondern ist privat. Im Zimmer sind nur zwei weitere Personen, es ist recht leer. Netter Besitzer, gefällt mir sofort, fast wie auf der Berghütte. Ich bin über Andermatt gefahren und hab mich dort noch mit Essen eingedeckt.
Rückfahrt
Nun, es ist Samstag, und ich war skeptisch was die Wettervorhersage betrifft, aber ein Blick aus dem Fenster hat mir gesagt: richtig, heimzufahren. Es hat bis auf 1500 m runtergeschneit.
Am Bahnhof
Sehr wehmütig steige ich in den Zug. Zunächst nach Andermatt, dann nach Göschenen (Verbindungsstrecke zwischen Furka- und Gotthardstrecke). Von dort mit dem Treno Gottardo nach Zürich, wo ich am Bahnhof meine letzten Franken in Ovo Rocks und einem Mittagessen tausche.
EuroCity nach Singen
Im EuroCity geht's nach Singen, von dort nach Stuttgart und im Regionalexpress nach Hause. Schade dass ich es nicht geschafft habe, den Weg komplett zu wandern, aber es wird mit Sicherheit nachgeholt. Die Strecke kann man gut in einem verlängerten Wochenende laufen.