Wie es dazu kam
Tatsächlich war diese Dreitageswanderung meine erste Übernachtung auf einer Berghütte. Hatte ich zwar lange vor aber irgendwie nie gemacht. Mich nie getraut. Berge und ich sind eh so eine Geschichte: mag sie wahnsinnig gerne aber hab Höhenangst. Da ist man etwas eingeschränkt, aber es gibt immer noch genug Wanderungen, die ohne Probleme gehen.
Ein Arbeitskollege von mir ist beim Deutschen Alpenverein (DAV), von dem kenne ich zwar einige Geschichten. Halt jemand der Hochtouren macht, klettert, letztlich hat mich das eher davon abgehalten als motiviert, einfach weil es eine andere Liga ist. Aber wie dieser Bericht zeigt: es geht auch als „Normalo“.
Die Tour sollte als Vorbereitung für mein Trekking in Schweden dienen. Bin relativ kurzfristig auf die Idee gekommen, das am verlängerten Fronleichnamswochenende noch zu machen, daher war die Auswahl dann auch begrenzt: die Anreise sollte innerhalb eines halben Tages mit der Bahn gehen, damit ich nicht zuviel Zeit verliere. Außerdem musste noch was frei sein und der Aufstieg nicht zu schwer.
Nach etwas Recherche fiel die Wahl auf das Rotwandhaus und das Taubensteinhaus in der Nähe vom Spitzingsee. Aufgrund der Wettervorhersage und einer Stornierung hat sich dann das Ganze vertauscht, so dass die Wanderungen etwas komisch geworden sein. Das tat dem Spaß aber keinen Abbruch.
Vorbereitung
Reserviert hatte ich die Hütten über das Onlineformular auf den jeweiligen Webseiten. DAV-Mitglied bin ich (noch) keines, was aber nur heißt dass man mehr bezhalt. Es gibt keine „Zwangsmitgliedschaft“ wie bei den Jugendherbergen.
Ausrüstungstechnisch hatte ich mir noch einen Hüttenschlafsack besorgt: im wesentlichen ein Stück Baumwolle, das wie ein Schlafsack genäht ist und die Bettwäsche ersetzt: man bekommt auf der Hütte eine Decke und ein Kissen, diese werden aber nicht überzogen, stattdessen nimmt man seinen eigenen Hüttenschlafsack mit. Im Vergleich zu einem normalen Schlafsack sind diese kleiner, leichter, und können auch einfacher gewaschen werden. Mein Exemplar ist von Cocoon, es sollte aber relativ egal sein.
Zum Rotwandhaus
Tag 1 war am Freitag: erstmal mit dem Zug, der Bayerischen Regiobahn nach Fischhausen-Neuhaus an der Südspitze des wunderschönen Schliersee. Von dort gibt's eine Busverbindung zum Spitzingsee, ich bin aber den Weg gelaufen. Hatte ja genug Zeit.
Der Weg von Neuhaus zum Spitzingsee verläuft teilweise entlang der Trasse einer ehemaligen Schmalspurbahn, der Bockerlbahn, die zum Abtransport von Holz gebaut wurde. Tafeln erinnern daran.
Weg zum Spitzingsee
Vom sog. Spitzingsattel sieht man dann den See bereits:
Spitzingsattel
Kleine Mittagspause am wunderschönen, überhaupt nicht überlaufenen See. Zum Baden scheint er aber zu kalt.
Spitzingsee
Der Wanderweg, den ich mir ausgesucht hatte, war der Zufahrtsweg zur Hütte, also mehr oder weniger ein steiler Feldweg. Langweilig zum gehen, trotzdem anstrengend wegen der Höhenmeter und der Hitze, aber mit der schönen Aussicht und dem Ziel vor Augen wird man entschädigt.
Aussicht Richtung Süden
Kühe am Wegrand
Das Rotwandhaus bereits in Sichtweite
Am Rotwandhaus angekommen gucke ich mich erstmal um. Hinter dem Haus gibt's so ein Teil das irgendwie eine Mischung zwischen Windrad und Wetterstation ist, dort hat man dann auch etwas Mobilfunkempfang. Ansonsten hier hier nämlich kein Netz. Das Tal dahinter ist nicht bewohnt, zwischen dem Haus und der Alpennordseite ist noch die Rotwand. Wird dann wohl eine Nacht ohne Twitter. Digital Detox ist aber auch nicht verkehrt.
Es ist gegen 16 Uhr, Einchecken erscheint mir noch etwas früh, also geh ich erstmal auf den Gipfel hoch. Ab jetzt ist es ein Bergwanderweg, die Stöcke lasse ich aber noch im Rucksack, werden hier noch nicht gebraucht.
Hoch zur Rotwand
Die Rotwand heißt übrigens deshalb so, weil sie einen gewissen Rotschimmer an manchen Stellen hat. Auf den Fotos sieht man das schlecht, steht man davor fällt es einem aber schon direkt auf.
Oben am Gipfel steht man auch mit Höhenangst gut, das übliche Gipfelkreuz und ein herrlicher Ausblick bis zum Großglockner. Es befindet sich so ein „Teller“ dort mit Beschriftungen, allerdings finde ich es doch schwierig zu finden. Ich benutze immer die App PeakFinder (4,99 € für iOS), die einem per Augmented Reality die Gipfelnamen direkt am Smartphone einblendet. Das funktioniert auch Offline, wenn man sich die Daten vorher heruntergeladen hat.
Wieder runter zur Berghütte. Der Checkin ist etwas hakelig, da eine Gruppe vor mir ist, die irgendwas anbezahlt hat und es ewige Diskussionen gibt, wer jetzt noch was bezahlen muss. Bei mir ist es einfacher.
Ich soll den Schlafsack zur Bettwanzenbekämpfung in die Mikrowelle tun – bei einem Hüttenschlafsack ist das okay, bei nem Daunenschlafsack hätte ich da so meine Probleme. Ansonsten darf ich nur Sachen in eine große Box tun und muss den Rucksack im Gepäckraum lassen. Wenn's hilft.
Gebucht hatte ich ein Bett im 6-Bett-Zimmer, ich teile es mir mit einer Familie und einem Pärchen. Alternative wäre ein Bett im Lager gewesen, dass sind so Matratzenlager mit 20 oder mehr Betten. Etwas günstiger. Ich zahle als Nicht-DAV-Mitglied 29 € die Nacht, ich finde das in Ordnung. Duschen kostet hier aber 4,50 € extra.
So eine Berghütte hat keinen Strom- oder Gasanschluss. Es gibt natürlich Solarzellen und Solarthermie, der Rest wird hier mit einem Blockheizkraftwerk erzeugt. Ein Video des DAV erklärt die typische Hüttentechnik, konkret ist es natürlich immer anders. Das Rotwandhaus kann ja per Kfz erreicht werden, andere haben nur eine Transportseilbahn. Trotzdem finde ich 4,50 € für drei Minuten duschen happig.
Ich genieße das leckere Essen, den Sonnenuntergang und widme den Abend einem Buch, meinen E-Book-Reader habe ich natürlich dabei. Ab 22 Uhr herrscht „Ruhe“, letztlich sind die meisten auch müde und stehen früh auf, es geht jeder so langsam schlafen. Finde ich auch ganz angenehm.
Gulasch auf der Hütte
Sonnenuntergang
Von Hütte zu Hütte
Die Nacht hatte ich nicht gut geschlafen. Die Familie in meinem Zimmer meinte das Fenster nur kippen zu müssen damit die Kuhglocken weniger laut sind. Es war natürlich stickig und viel zu warm, zumal ich das obere Bett hatte. Ich bin dann um halb 2 Uhr irgendwann aufgestanden, auf die Toilette, hab das Fenster aufgerissen und kurz drauf bin ich endlich eingeschlafen. Hat dann aber für einen erholsamen Schlaf nicht mehr wirklich gereicht.
Frühstück gab's ab 7:30 Uhr, für 10,50 € fand ich einen Teller mit zwei Scheiben Brot, Wurst, Käse, einem Mini-Glas Orangensaft und einen Kaffee aber etwas viel. Wenigstens Getränke hätte ich mir gewünscht dass man sich noch was holen darf.
Die schöne Landschaft entschädigt aber für vieles. Es ist einfach so entspannt, viel angenhemer als in irgendwelchen hektischen Hotels. Und man kann draußen frühstücken.
Blick auf die Wanderwege
Zur anderen Hütte, dem Taubensteinhaus wären es keine 2 Stunden. Das ist mir natürlich zu kurz, stattdessen hab ich mir einen Weg rausgesucht, der einmal „herum“ geht, in Richtung Bayrischzell aber dann wieder hoch.
Der erste Teil des Weges geht durch ein unbewohntes Tal zum Soinsee. Es ist praktisch menschenleer, nur ein, zwei Wanderer kommen mir entgegen. Die Tagesausflügler sitzen noch in ihren Zügen und Autos.
Weg zum Soinsee
Später kommt eine unbewirtschaftete Alm
Blick zurück – allein diese Grüntöne finde ich sehr schön
Soinsee
Ab jetzt ist der Wandwerweg wieder eine „Waldautobahn“. Es geht runter bis auf 900 m, daher ist es leider auch wieder schwülheiß. Zum Glück finde ich eine Alm für etwas Brotzeit, außer noch einem Müsliriegel habe ich nämlich nichts dabei. Immerhin ist es im Gebirge kein Problem, Wasser zu finden. Es schmeckt auch sehr gut, viel besser als was was hier aus der Leitung kommt.
Wanderweg durch den Wald, immerhin Schatten
Blick auf die Rotwand von hinten
Gegen 16 Uhr bin ich schon am Taubensteinhaus angekommen, das zwei Jahre geschlossen war und erst am Tag davor durch neue Pächter wiedereröffnet wurde. Ich gönne mir erstmal einen Eiskaffee, frage, ob ich das Zeug gleich da lassen kann. Man bietet mir an, gleich den „Checkin“ durchzuführen.
Das hat immerhin den Vorteil, dass ich mir im Mehrbettzimmer das Bett aussuchen kann, ich nehme das untere Bett gleich neben dem Fenster und spekuliere auf eine kühlere Nacht. Die Dusche kostet hier nur 50 Cent.
Jetzt aber hoch zum Gipfel. Es sind fünf Minuten bis zur Taubensteinbahn (Seilbahn) mit sehr hübschen, etwas älteren Kabinen.
Taubensteinbahn
Von dort sind es noch rund 15 Minuten zum Gipfel. Am Ende muss man etwas klettern. Hoch ist ja immer leicht aber vor dem Abstieg graut mir schon. Erst hinterher erfahre ich, dass ich einfach weitergehen hätte müssen statt wieder zurück. Es klappt aber, leider kann ich die Aussicht am Gipfel nicht wirklich genießen, da es doch sehr abschüssig ist und bin dann erst unten wieder entspannt. Trotzdem ein gutes Gefühl, es gewagt zu haben.
Am Gipfel
Das Selfie gibt's dann erst unten an einem großen Stein:
Taubensteinhaus
Die Wirtsleute sind wirklich sehr nett. Es gibt leckeres Essen. Die Aussicht ist hier nicht ganz so gut wie beim Taubensteinhaus, man sieht eigentlich vor allem die Rotwand. Hier gibt's dann aber sogar einigermaßen funktionierenden Mobilfunkempfang. Leider doch zu schlecht um die Tour für morgen vernünftig planen zu können, irgendwann klappt's aber doch. Was die Einteilung der Wanderwege nach Schwierigkeit betrifft sind die Online-Karten nämlich mittlerweile besser als die Wanderkarten.
Meistens wird nach der SAC-Skala klassifiziert, ich bevorzuge Wege mit T2 auch wenn es da auch abschüssige Stellen geben kann, die technisch problemlos zu meistern sind aber der Kopf verrückt spielt. Umgekehrt hatte ich mit dem Hochklettern zum Taubenstein (als T4 klassifiziert) kein Problem.
Rotwand in der Dämmerung
Mehrbettzimmer mit insgesamt 7 Betten
Abstieg
Diese Nacht blieb das Fenster offen. Ich schlief wie ein Murmeltier durch ohne nachts wach zu werden. Dementsprechend erholt war ich dann auch am Morgen. Hier gab es leckeres Frühstücksbuffet für 9,50 €. Fand ich deutlich angenehmer.
Gegen 8 Uhr also der Aufbruch. Ich wollte gegen 14 Uhr im Zug sitzen, zum einen um der Hitze wenigstens etwas aus dem Weg zu gehen, zum anderen um die vollen Abendzüge (Ende des verlängerten Wochenendes, der Pfingstferien und 9-Euro-Ticket) zu umgehen.
Der Tag beginnt mit wunderschönem Wetter und glücklichen Kühen.
Heute steht eine echte Bergwanderung bevor, also kein befahrbarer Weg sondern eher schmal aber gut zu gehen. Mein Trekkingstock leistet hier gute Dienste. Wunderschöne Ausblicke – und es ist noch angenehm von der Temperatur.
Gipfelkreuz am Jägerkamp
Blick vom Jägerkamp auf den Schliersee
Blick in die andere Richtung
Bergab geht's dann erstmal durch's Gebüsch, teilweise steiler nach unten, teilweise angenehm. Eine abschüssige Stelle wo ich mir etwas schwer tun (reine Kopfsache, war einfach zu gehen). Aber insgesamt gut zu gehen, tolle Ausblicke, und nicht so langweilig wie die ersten Tage. So macht's Spaß.
Eine Alm
Durch den Wald
Irgendwann ist dann der Berg vorbei, es geht durch den Wald, es wird unangehm warm und ich freue mich auf was zu essen und einen klimatisierten Zug. Aber bis dahin sind es noch drei Kilometer in der Ebene bis zum Bahnhof Geitau.
Ein LINT
Leider ist das mit dem Essen nicht so einfach. Es ist Sonntag, auf Gasthaus hab ich keine Lust, Tankstelle keine in der Nähe. Und ich hab kein Bargeld mehr. Hatte die Kosten der ganzen Verpflegung leicht unterschätzt und bin auch nicht mehr gewohnt, alles bar zu bezahlen.
In Fischbachau fuhr ich erstmal mit dem Zug in die andere Richtung, Bayrischzell. Dort leider keine VR-Bank, meine Kreditkarte und meine SparkassenCard hatte ich zu Hause gelassen. Fremdgebühren wollte ich auch nicht zahlen, eine Bäckerei hatte offen, die nahmen zwar keine Karte aber ein paar Euro hatte ich noch für zwei Brezen und eine Cola.
Im Park von Bayrischzell genoss ich also die Erfrischung, wartete dort auf den Zug und fuhr dann gegen 14 Uhr nach Hause. Am Sonntag fahren zwei Triebzüge, daher ging es mit der Belegung. Auch im Regionalzug von München nach Nürnberg war es zwar durchaus voll aber jeder hatte einen Sitzplatz.
Fazit
Ein sehr schönes Wochenende, der Schrecken vor Berghütten ist komplett weg. Werde bestimmt noch einige Touren machen, bin auch am Überlegen DAV-Mitglied zu werden. Spart einiges an Geld: knapp 10 Euro pro Übernachtung, zusätzlich gibt es ein vergünstigtes „Bergsteigeressen“ für 9 Euro und Karten kann man auch ausleihen. Die DAV-Karten (die jeweils an den Berghütten hingen) sind doch um einiges detaillierter als die Kompass-Karte, die ich mir gekauft habe.